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Landpartie mit drei Damen

Landpartie mit drei Damen

Titel: Landpartie mit drei Damen
Autoren: Nancy Mitford
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wollte.
    Auch Noel fand an diesem Morgen einen Brief vor. Einer seiner Onkel teilte ihm mit, dass er baldmöglichst nach London kommen solle, man wolle ein Treffen mit einem Wiener Bankier arrangieren, der eventuell einen Job für ihn habe. Noel telegrafierte dem Onkel sofort, dass er am folgenden Tag in London sein werde.
    Sobald alle abfahrbereit waren, kletterten sie in das Automobil, das der liebenswürdige Mr Birk zur Verfügung gestellt hatte, und ließen sich nach Chalford Park bringen. Vor dem Haus und im Innern herrschte ein großes Durcheinander. Kaum vorstellbar, dass sich das Chaos von allein auflösen würde. Draußen traten sich Arbeiter, Sozialunionisten, das Fraueninstitut und Reporter auf die Füße, drinnen führten Miss Trant und Mrs Lace eine lautstarke Auseinandersetzung um die Ankleideräume. Lady Chalford hatte ihnen vierzehn geräumige Schlafzimmer zur Verfügung gestellt, und Mrs Lace bestand darauf, dass sie für das Einkleiden der an der Chalford-Episode Beteiligten mindestens sieben Zimmer benötige. Da sie für zwanzig Personen verantwortlich war, Miss Trant aber für mindestens zweihundert, erschien Mrs Laces Forderung überzogen. Nach langem und heftigem Streit konnte Mrs Lace schließlich dazu überredet werden, mit drei Zimmern vorliebzunehmen. Diese richtete sie sogleich her, drapierte Kleider über Betten und Sessel und breitete Accessoires auf den Tischen aus. Jasper und Poppy, die hinzugekommen waren, um sich einen Eindruck zu verschaffen, gewannen den Eindruck, dass Mrs Lace allzu viel Zeit im Dunstkreis der jungen Männer aus Rackenbridge verbracht hatte. Ihre Kostümideen waren sehr modern.
    »Ich glaube«, kommentierte Jasper unüberhörbar, »dass diese Wachstuchgewänder, Pappmascheeperücken und Zellophanschultertücher sehr eigenartig aussehen werden neben den zweihundert Dolly-Varden und Dresdner Schäferkostümen, die die gute Miss Trant in Oxford ausgeliehen hat.«
    »Wie hässlich«, murmelte Poppy. »Muss ich wirklich so eine grauenhafte Perücke tragen?«
    »Selber schuld, Darling. Du wolltest dir kein Kleid besorgen, jetzt musst du dich dem Geschmack von Rackenbridge beugen. Das hast du davon.«
    Lady Marjorie schien ganz verrückt vor Aufregung und suchte unentwegt nach Mr Wilkins. »Ich kann’s kaum erwarten, ich kann’s kaum erwarten.« Mr Wilkins war aber noch nicht eingetroffen.
    Der Vormittag verging im Nu.
    Lady Chalford, der diese unerwartete Betriebsamkeit sehr gefiel, bat alle zu einem kleinen Lunch, zu dem sie auch schon den Kurator von Peersmont mit seinen Schützlingen eingeladen hatte. Die Jahre schienen von ihr abzufallen. Wie ein junges Mädchen sah sie aus, als sie ihren alten Freund begrüßte, den Herzog von Driburgh, und jene seiner Kollegen, die dem Kurator als geeignete Kandidaten für den Tagesausflug erschienen waren.
    Doch der Herzog entfernte sich, sobald ihm das irgend möglich war, und stürzte sich auf Poppy, die er mit seinen Aufmerksamkeiten in einige Verlegenheit brachte. Bei Tisch richtete er es so ein, dass sie neben ihm saß, drückte sein Knie die ganze Zeit an das ihre und hielt zwischen den Gängen ihre Hand. Als sie Anstalten machte, sich für das Diadem zu bedanken, warf er ihr furchtbar wilde Blicke zu und machte mysteriöse Andeutungen.
    »Wie geht es Lord Rousham?«, fragte sie, um das Thema zu wechseln.
    »Hat bedauerlicherweise seine Ernährung umgestellt. Nimmt jetzt überhaupt nichts mehr zu sich, außer den Kokosnüssen und den Speckstückchen, die wir für die Meisen rauslegen. Gunnersbury baut ein Vogelhäuschen für ihn, dieser Spinner, hatte es ja schon immer mit der Wohnungspolitik und so weiter. Für seine sozialistischen Ideen habe ich kein Verständnis. Wenn sich jemand sein eigenes Nest bauen will, soll man ihn lassen. Die Gewerkschaften ruinieren England, glauben Sie mir, junge Dame.«
    Nach dem Lunch führte der Herzog Poppy in eine Fensternische und machte ihr einen Antrag.
    »Aber Sie sind doch schon verheiratet!«, rief sie, um Zeit zu gewinnen. In seinen Augen lag ein wüster Ausdruck, der ihr ganz und gar nicht gefiel.
    »Ah, Sie halten mich wohl für altmodisch, zurückgeblieben, wie? Was? Aber seien Sie versichert, ich bin ganz modern in meinen Ansichten, ich weiß, dass es heutzutage absolut normal ist, sich zu verloben, obwohl man noch verheiratet ist. Verdammt vernünftige Idee. Also, ich schlage vor, wir verschaffen der alten Maud alle Beweise, die sie haben will, und dann könnten wir
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