Landung auf Darkover - 1
den anderen Fremden? Dieser Planet hatte offenbar zwei völlig intelligente Rassen hervorgebracht, und sie mußten bis zu einem gewissen Grad in friedlicher Koexistenz leben. Das war ein gutes Zeichen für die Menschheit und für die anderen. Aber Judys Fremder - dies war der einzige Name, den er trug, und noch immer merkte er, daß er die bloße Existenz dieses Wesens bezweifelte - mußte annähernd menschlich genug sein, um mit einer Erdenfrau ein Kind zeugen zu können - und dieser Gedanke war seltsam beunruhigend.
Am vierzehnten Tag ihrer Wanderschaft erreichten sie die unteren Hänge des gewaltigen Gletschers, den Camilla Die Mauer um die Welt getauft hatte. Hoch ragte er über ihnen empor und verdeckte den halben Himmel, und MacAran wußte, daß er trotz der günstigen Sauerstoffverhältnisse in großen Höhen unbesteigbar war. Hinter diesen Hängen gab es nichts außer purem Eis und Fels, umkämpft allein von ewigen frostigen Winden, und durch ein Weitergehen war nichts zu gewinnen. Aber in dem Moment, in dem sie der gewaltigen Bergmasse den Rücken zukehrten, verwarf sein Verstand dieses Unbesteigbar. Er dachte: Nein, nichts ist unmöglich. Vielleicht können wir sie momentan nicht ersteigen. Vielleicht in meinem ganzen Leben nicht, gewiß nicht für zehn, zwanzig Jahre. Aber es liegt einfach nicht in der menschlichen Natur, solche Grenzen zu akzeptieren. Eines Tages werde entweder ich zurückkommen und das Massiv bezwingen oder meine Kinder. Oder ihre Kinder.
»Soweit also kommen wir in dieser Richtung«, stellte Dr. Frazer fest. »Die nächste Expedition sollte besser in die andere Richtung vorstoßen. Dort gibt es nur Wald, Wald und nochmals Wald.«
»Nun, wir können die Wälder nutzen«, meinte MacAran. »Vielleicht liegt in einer der anderen Richtungen eine Wüste. Oder ein Ozean. Oder - was weiß ich - vielleicht fruchtbare Täler oder sogar Städte. Erst im Laufe der Zeit werden wir das herausfinden.«
Er überprüfte die Karten, die sie gezeichnet hatten, begutachtete voller Zufriedenheit die ausgefüllten Teile, merkte jedoch auch, daß noch die Arbeit eines ganzen Lebens zu tun war.
In dieser Nacht lagerten sie direkt am Fuß des Gletschers, und MacAran erwachte vor Tagesanbruch - vielleicht, weil der weiche dicke nächtliche Schnee nicht mehr fiel. Er ging hinaus und betrachtete den dunklen Himmel und die fremden Sterne, und drei der vier Monde hingen wie juwelenbesetzte Leuchter unter dem hohen Grat des steil emporragenden Bergmassivs, dann kehrten seine Blicke und Gedanken in das Tal zurück. Dort war sein Volk - und Camilla, die sein Kind trug. Fern im Osten war ein schwaches Glimmen zu bemerken, dort, wo die große rote Sonne aufgehen würde. MacAran war plötzlich von einer großen und unaussprechlichen Zufriedenheit erfüllt.
Auf der Erde war er niemals glücklich gewesen. In der Kolonie hätte er sich vielleicht besser gefühlt, aber selbst dort hätte er sich in eine von anderen Menschen entworfene Welt einpassen und mit Leuten zusammenleben müssen, zu denen er möglic herweise gar nicht paßte. Hier jedoch konnte er Anteil haben am ursprünglichen Entwurf der Dinge, er konnte mitgestalten, er konnte schaffen, was er für sich und seine zukünftigen Kinder und deren Kindeskindes erhoffte. Eine Tragödie, eine Katastrophe hatte sie hierhergebracht, Wahnsinn und Tod hatten sie heimgesucht, und doch wußte MacAran, daß er einer der Glücklichen war. Er hatte seinen Platz gefunden, und er war gut.
Einen Großteil dieses und des nächsten Tages benötigten sie, um auf ihren eigenen Spuren vom Fuß des Gletschers zurückzukehren - durch düsteres, graues Wetter und schweres, sich zusammenballendes Gewölk, und MacAran, der gelernt hatte, dem schönen Wetter dieses Planeten zu mißtrauen, fühlte nun doch ein feines Kribbeln der Unruhe. Gegen Abend des zweiten Tages fiel Schnee, schwere Flocken peitschten zorniger als jemals zuvor auf dieser Welt vom Himmel. Die Erdenmenschen froren selbst in ihren warmen Kleidern, die Welt verwandelte sich in einen weißen tobenden Wahnsinn, in etwas Farbloses, Formenloses - in ein Nichts -, und sie verloren jede Orientierung. Sie wagten nicht anzuhalten, doch es wurde bald klar, daß sie nicht mehr viel länger durch die tiefer werdenden Schichten weichen pulvrigen Schnees weitergehen konnten, durch die sie, sich gegenseitig festhaltend, umherstapften. Sie konnten nur weiterhin abwärts gehen. Andere Richtungen hatten keine Bedeutung mehr. Unter den Bäumen
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