Landy, Derek - Tanith Low - Die ruchlosen Sieben
machen brauchen.“
Tanith zuckte mit den Schultern und wischte das Blut von der Klinge. „Schien mir nur recht und billig, dass ich es mache. Wie fandest du das mit Sabine, dass sie womöglich auf ihn steht?“
„Super. Lieb von dir, in seinen letzten Momenten das noch für ihn zu tun.“
„Nicht wahr? So bin ich nun mal. Ich gehe jetzt zu den anderen zurück. Gib mir sechzig Sekunden, dann wirfst du die Leiche auf die Straße.“
Damit sprang Tanith vom Dach und verschwand.
Sanguin rollte die Leiche bis ganz zum Rand und wartete. Als die sechzig Sekunden um waren, gab er aus purer Großzügigkeit noch einmal fünfzehn dazu und stieß die Leiche dann mit dem Fuß vom Dach. Springer-Jack fiel ungelenk. Keine Spur mehr von der früheren Eleganz, die er beim Tanz über die Dächer an den Tag gelegt hatte. Er klatschte weit unten auf der Straße auf, ein nasser, verhedderter Haufen Gliedmaßen und gebrochener Knochen. Die Schreie der Passanten drangen bis zu Sanguin herauf. Er kickte den Kopf hinterher, hob den Zylinder auf und warf ihn in den Wind.
VIERUNDZWANZIG
Tanith wartete, bis auch der letzte Wachmann losgelaufen war, um hinter den Grund für das allgemeine Geschrei zu kommen. Dann schlüpfte sie aus ihrem Versteck und ging rasch eine schmale Straße hinunter. Vom anderen Ende kamen Thames Chabon und drei seiner Männer heraufgerannt. Sie trafen sich in der Mitte bei einem großen Metallcontainer. Chabon klopfte an die Wand.
„Das ist der Lieferanteneingang“, erklärte er. „Er führt dich in einen Lagerraum, in dem sich nie jemand aufhält. Wie deine nächsten Schritte aussehen, geht mich nichts an.“
Tanith besah sich die Wand. „Wie öffnet sie sich?“
„Gar nicht“, antwortete Chabon. „Du stellst dich hier hin, aktivierst den Mechanismus und wirst für drei Sekunden immateriell. In diesen drei Sekunden gehst du einfach durch.“
„Und wie aktiviere ich den Mechanismus?“
„Sorry, aber das bleibt mein Geheimnis. Sobald ich meinen Lohn habe, aktiviere ich ihn für dich. Wie du wieder rauskommst, ist deine Sache.“
„Das habe ich bereits geklärt“, erwiderte sie. „Und jetzt tretet bitte zurück, ich will nicht, dass ihr meine Leute erschreckt.“
Sobald Chabon und seine Männer hinter dem Container verschwunden waren, zog Tanith ihr Handy aus der Tasche und drückte auf SENDEN. Wenige Augenblick später kam Sabine angerannt, gefolgt von Annis und Wilhelm. Dusk erschien als Letzter. Er schwitzte, hatte die Fäuste geballt und zitterte. Er hatte Taniths Anweisung befolgt und sein Serum nicht genommen, und jetzt kämpfte er gegen die Verwandlung an. Tanith ließ ihn nicht aus den Augen.
„Wo ist sie?“, fragte Wilhelm. Aus seiner Stimme sprach Angst. „Wo ist die Tür? Du hast gesagt, du würdest deine Kontaktperson treffen. Wo ist sie?“
„Beruhige dich, Wilhelm“, sagte Tanith.
„Die Wachleute können jeden Augenblick hier sein! Sie finden uns! Sie nehmen uns fest oder bringen uns um! Wir müssen verschwinden!“
Sabine stellte sich vor ihn hin und versetzte ihm eine kräftige Ohrfeige. Geschockt starrte er sie an.
„Keine Panik, ja?“
„Okay“, murmelte er.
Sabine wandte sich an Tanith. „Weißt du, wie wir reinkommen?“
„Ja.“
„Worauf warten wir dann noch?“
„Ich muss den Mann noch bezahlen“, antwortete Tanith. Sie sah, wie Sabines Augen sich weiteten, als Chabons Männer sie von hinten ergriffen. Sie wehrte sich heftig.
„Hallo, Sabine“, grüßte Chabon. „Dachtest du wirklich, du könntest mir bis in alle Ewigkeit aus dem Weg gehen?“
„Tanith, bitte hilf mir“, flehte Sabine. „Er bringt mich um …“
„Das Risiko gehst du ein, wenn du einen Betrüger reinlegst“, entgegnete Tanith. „Mr Chabon, aktiviere den Mechanismus, und wir sind quitt.“
„Tanith, nein!“, rief Sabine. „Annis, tu doch etwas!“
Die schwarze Annis schniefte. „Vielleicht ist dir das eine Lehre, und in Zukunft nimmst du anderen Frauen nicht mehr die Männer weg.“
„Was? Wovon zum Teufel …? Wilhelm! Dusk! Helft mir!“
Wilhelm starrte auf seine Schuhe, und Dusk war so mit seinem eigenen Problem beschäftigt, dass er von Sabines Verhängnis anscheinend gar nichts mitbekam.
„Bringt sie zum Wagen“, befahlt Chabon. Seine Männer schleiften Sabine weg. Einer hielt ihr den Mund zu, damit sie nicht mehr schreien konnte. Das Letzte, was Tanith von ihr sah, bevor sie in der Dunkelheit verschwand, waren ihre großen angsterfüllten
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