Landy, Derek - Tanith Low - Die ruchlosen Sieben
Augen.
„Stellt euch nebeneinander auf“, befahl Chabon, „mit dem Gesicht zur Wand. Ich zähle bis drei, dann geht ihr schnell vorwärts. Sehr schnell, verstanden? Wenn ihr mitten in der Wand wieder eure feste Gestalt annehmt, gibt es eine Schweinerei.“
Tanith stellte sich mit dem Gesicht zur Wand auf. Chabon stand ein Stück hinter ihnen. Sie widerstand dem Drang, sich umzudrehen. Zu wissen, wie man hier reinkam, wäre ausgesprochen praktisch.
„Eins“, begann Chabon, „zwei, drei. Los.“
Von irgendwoher traf sie ein Licht, und Taniths ganzer Körper kribbelte. Sie hob die Hand und konnte die Backsteine dahinter erkennen. Es war die Hand eines Geistes, blass und schwach leuchtend. Sie marschierte los und zwang sich, die Augen offen zu halten, als sie durch die Wand ging. Es war ein seltsames Gefühl. Fast musste sie lachen. Dann stand sie auf der anderen Seite in einem düsteren Raum und wurde wieder zu Fleisch und Blut.
„Alle noch an einem Stück?“, fragte sie.
Wilhelm vergewisserte sich hektisch, dass er keinen Schaden genommen hatte. Annis sparte sich die Mühe, und Dusk war es ohnehin egal. Er stöhnte vor Schmerz, und Tanith fiel auf, wie spitz seine Zähne geworden waren. Lange würde es nicht mehr dauern.
„Ich dachte, wir sind ein Team“, knurrte Annis.
Tanith schaute auf sie herunter. „Wir sind ein Team.“
„Und Sabine? Hat sie nicht auch dazugehört?“
„Sie war sogar ausgesprochen wichtig für das Team. Sie war Zahlungsmittel.“
„Wirst du uns genauso hintergehen, wie du sie hintergangen hast?“
„Nein, natürlich nicht. Sabine hat nicht dazugehört, und du weißt das. Sie ist anders als wir. Aber wir haben sie gebraucht. Jetzt, da sie weg ist, können wir anderen weitermachen. Du. Ich. Dusk. Sanguin. Selbst Wilhelm.“
„Und Jack“, ergänzte Annis.
Tanith nickte. „Selbstverständlich. Und Jack. Die Mannschaft wäre ohne Jack nicht die Mannschaft. Kommt, wir haben nicht viel Zeit.“
Da sie sich in diesem Sanktuarium bestens auskannte, führte sie sie durch Flure, die sonst keiner benutzte. Wenn Sensenträgerpatrouillen auftauchten, schlüpften sie in leere Räume. Je näher sie jedoch dem Repositorium kamen, desto schwieriger wurde es, unentdeckt zu bleiben. Aber das Glück war länger auf ihrer Seite, als sie erwartet hatte. Sie standen praktisch schon in Sichtweite der Repositoriumstür, als drei Zauberer über sie stolperten.
Sie schauten sie groß an und wichen dann zurück.
„Dusk“, sagte Tanith leise, als die Zauberer sich umdrehten und davonrannten.
Dusk nahm die Verfolgung auf, er lief gebückt, fast auf allen vieren. Er zerrte an seiner Brust, sofort riss die Haut, und der Vampir sprang aus Dusks menschlicher Gestalt und verschwand um die Ecke. Mit jedem Schritt verringerte sich die Entfernung zwischen ihm und seiner Beute.
„Gehen wir“, drängte Tanith, „bevor er zurückkommt und sich auf uns stürzt.“
Sie liefen zur Tür, schlüpften hinein und schlossen sie hinter sich. Das Repositorium war riesig. Die Regale waren gefüllt mit Büchern und magischen Gegenständen. Einige lagen offen da, andere wurden hinter Panzerglas verwahrt. Das Schwert lag in einer Vitrine am anderen Ende des Raums. Tanith führte ihre Leute direkt dorthin, und eine Stimme ertönte …
„Ich an deiner Stelle würde keinen Schritt weitergehen.“
Tanith drehte sich langsam um und lächelte, als sie Vex und die anderen ausgesprochen cool dastehen sah. Sie wartete auf den Angriff der Sensenträger. Als er nicht erfolgte, wurde ihr Lächeln breiter.
„Sie wissen nicht, dass ihr hier seid, stimmt’s?“, fragte sie. „Niemand weiß es. Da schau her, wir sitzen im gleichen Boot, nicht wahr? Wir brechen hier ein, ihr brecht hier ein. Wir wollen das Schwert klauen, ihr wollt das Schwert klauen. Und alle miteinander haben wir viel Spaß.“
„Ein kleiner Unterschied besteht allerdings“, bemerkte Vex. „Wir sind sechs, und ihr seid nur drei.“
„Stimmt“, bestätigte Tanith, „aber wir haben hier irgendwo in diesem Sanktuarium einen Vampir rumlaufen.“
„Der euch genauso fix abschlachten würde wie uns“, erwiderte Saracen. „Hallo, Tanith, du siehst gut aus.“
„Saracen Rue und Schreck Jones. Zwei liebe alte Exfreunde von mir. Und Aurora. Hi, Aurora. Und alle wollt ihr mich umbringen. Für mein Selbstbewusstsein ist das aber gar nicht gut.“
„Wir wollen dich nicht umbringen“, korrigierte Schreck Jones, „wir wollen dich aufhalten. Und
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