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Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Titel: Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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erschöpft. „Es stand immer jemand in der Schussbahn. Seid ihr verletzt?“
    Ich zuckte die Achseln. „Ein paar Schrammen. Ich habe aber noch nicht nach dem Bauern gesehen.“
    Salandar lugte in den Hühnerstall, aus dem immer noch ängstliches Gegacker erklang. Dann grinste er.
    „Ich glaube, unserem Bauern geht es in Anbetracht der Umstände gut“, meinte er, während sich Lennarts laut fluchend aus dem Bretterstapel der zu Bruch gegangenen Tür befreite. Er hustete und hatte ein zugeschwollenes Auge, aber erfreute sich, gemessen an der Kampfkraft seines Gegners, bester Gesundheit.
    „Da haben wir wohl nochmal Glück gehabt, Bauer“, tadelte Salandar ihn, doch der Bauer winkte ab.
    „Legt mich in ein Bett!“, hustete er. „Ich habe mit dem Teufel gekämpft, und ich lebe. Legt mich in ein Bett!“
    Wir mussten lachten, selbst Hagen, dem der Kopf gehörig schmerzte, konnte sich nicht zurückhalten.

    Das deftige Frühstück war spät und üppig. Es gab körniges Krustenbrot mit allerlei Aufschnitt. Nur das Beste für uns, und ehrlich gesagt war mir ein kräftiges Bauernfrühstück auf den derben Holztischen inmitten von Leuten, die es einem ehrlich dankten, viel lieber als das verlogene höfische Etikettengeplänkel der Kaufleute und Beamten, die es dem Adel möglichst gleichtun wollten. Hier gab es keinen Kaffee, sondern dünnes Bier zum Frühstück, das ich allerdings dankend ablehnte, immerhin mussten wir noch reisen.
    Schon früh waren die Bauernkinder ausgeschwärmt und hatten Nachbarschaft und Gemeinde zusammengetrommelt. Im Hof hatte man einen Scheiterhaufen gebaut und johlend den Kadaver des Wolfsmenschen verbrannt, während der ortsansässige Priester die üblichen gottesfürchtigen Ansichten hinausposaunte. Manchmal überlegte ich, ob jene Männer Gottes nicht allesamt vom gleichen Schlag waren: Feiglinge, die sich lieber hinter dem versteckten, was mächtiger erschien, als selbst Hand anzulegen. Selbst die große Inquisition hatte sich stets nur gegen Schwächere behauptet. Zwar hatte sie gewiss viele bösartige Kreaturen beseitigt und so dem einen oder anderen ein Leid erspart, aber im Großen und Ganzen war sie zu wahllos gewesen. Sie hatte einfach alles vernichtet, was übernatürlich erschienen war oder was die gottesfürchtigen Kirchenmänner schlichtweg nicht verstanden hatten. Vermutlich hatten sie so mehr Schaden angerichtet als verhütet. Gut, dass der Einfluss der Inquisition immer bedeutungsloser zu werden schien. Jüngst hatten sich sogar die Gerüchte um vereinzelte, immer noch stattfindende Hinrichtungen durch die kirchliche Exekutive verlaufen. Das Okkulte und Magische schien eine Chance zu bekommen, sich seinen Teil der Welt zurückzuerobern.
    Gut so!
    Denn das bedeutete nicht nur ein wenig Ausgeglichenheit für die gebeutelte Natur aller Dinge, sondern auch, dass Leute wie wir Arbeit hatten.
    Kauend sah ich mich nach Salandar um, der mit gutmütigem Lächeln überspielte, wie genervt er von den ständigen Schulterklopfern und Beglückwünschungen war.
    „Wir sollten Walther und Elsa schreiben, dass wir aufbrechen. Soll ich ...?“
    Ich brauchte den Satz nicht zu beenden, denn mein massiger Freund hatte sich schon mit einem dankbaren Zwinkern erhoben und streifte diverse Gratulanten ab, bevor er aus dem übervollen Haus verschwand. Gedankenverloren blickte ich ihm nach, wie er über den Hof in Richtung Scheune eilte, wo man uns die letzten Nächte einquartiert hatte. Zwischendurch hielt er inne, tätschelte dem Hofhund den Kopf und kraulte ihn hinter den Ohren. Er mochte Hunde gerne, warum auch immer.
    Salandar war seltsam. Gut, das waren wir alle drei. Aber besonders Salandar haftete etwas Mysteriöses an, wie ein eigenartiger Geruch. Vielleicht kam es nur davon, dass er niemandem – nicht einmal seinen Freunden – seinen wirklichen Namen verriet. Vielleicht war es auch die seltsame Art, wie er sich kleidete, mit den hellbraunen und orangefarbenen Gewändern und Mänteln, die bis auf wohlige Wärme nichts, aber auch gar nichts Praktisches an sich hatten, sondern lediglich dazu gut waren aufzufallen. Vielleicht war es seine stets gewählte Art zu sprechen. Vielleicht ... ach, wahrscheinlich war es die Mischung aus allem, was meinen äußerst kräftig gebauten und hochgradig gelehrten Freund ausmachte.
    Ich biss wieder in mein Brot. Der geräucherte Schinken war genau das Richtige nach einer Nacht ohne viel Schlaf, und die ausgelassene Stimmung um uns herum tat ihr Übriges

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