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Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Titel: Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Petroleumflammen. Hagen eilte zu mir.
    „Alles klar?“
    Ich winkte hustend ab. So war es immer. Einer von uns dreien war meist der Dumme, der Köder, das Hassobjekt für unsere Ziele. Diesmal war ich wohl wieder einmal mit dem Leben davongekommen. Ich ächzte, dann versank die Welt im Dunkel.
    5.
    Lieber Salandar,
    meine Vermutung über die Zusammenhänge im Falle der geisterhaften Frau in der Ehlert‘schen Villa war korrekt. Ein vormaliger Geigenbauer – ein unsäglicher Bastard – hatte seine Frau mit einer Violinensaite erdrosselt und anschließend Geigenwirbel aus ihren Gebeinen gefertigt. Wie widerwärtig muss man eigentlich sein für solch eine Tat? Wer weiß, wie viele Menschenknochengeigen es wohl noch geben mag dort draußen? Der Geist der Frau selbst war glücklicherweise auf irgendeine Art und Weise mit einem Porträt der beiden verbunden. Ein Umstand, den wir zwar erledigt haben, der mich aber wohl ein oder zwei Tage Bettruhe kosten wird. Der arme Müller Roth wird wohl weiterhin ohne seine Mühle auskommen müssen. Sobald wir die genauen Umstände geklärt haben, auf denen all das hier beruht, sollten wir irgendwo ein gutes Wort für ihn und eine neue Anstellung einlegen!
    Wie sieht es mit deinen Recherchen aus? Du hast dich nicht gemeldet, ich fürchte also fast, deine Bemühungen sind bisher erfolglos geblieben?
    In diesem Sinne,
    Lucien
    6.
    Grau war das Delirium am Rande der Nacht, denn grau war auch sie, die schöne, dunkle Freundin des Todes. Ein Soldat kannte den Balanceakt auf einem Seil ohne Netz und doppelten Boden, wenn auch nicht in luftigen Höhen.
    Am Ende war es einmal mehr nur die Erschöpfung, die mich wie ein kleines Kätzchen schlafen ließ.
    Ich träumte in den federweichen Kissen des Landsitzes zu Eulenbach von Valerie und von längst vergangenen und verwehten Tagen zwischen Fluss und Berg, zwischen Tal und Tannendüften. Es war eine zum Sterben schöne Zeit gewesen. Ein paar Monate, mehr brauchte es nicht, um einen begreifen zu lassen, wie hart es das Leben mit einem meinen konnte. Daran anschließend suchte man ein Leben lang nach der eigenen Schuld.
    Vielleicht wollte es der Zufall, vielleicht das Schicksal, dass ich aufschreckte, als wäre ich im Traum in einen endlosen Graben gestürzt. In diesem Augenblick, in diesem Wimpernschlag des Zustandes zwischen den Realitäten, sah ich das schönste Gesicht der Welt vor mir. Oder sagen wir: das aus meiner Warte vollkommenste?
    Doch es kamen weitere Augenblicke und trugen den Nebel fort, hin zu einer neuen Nüchternheit.
    „Guten Morgen“, sagte Maria sanft, die sich – wie ich bemerkte – auf meiner Bettkante niedergelassen hatte. Sie betrachtete aufmerksam meinen Hals, strich darüber, und mir wurde schmerzlich bewusst, dass mich nur kurz zuvor ein wildgewordener Geist um ein Haar erdrosselt hätte.
    „Das sieht nicht sehr angenehm aus“, bemerkte sie spöttisch, und meine Hand fuhr unwillkürlich zu dem saitendünnen Würgemal auf meinem Hals.
    „Danke“, brachte ich heiser hervor. „Wie kommst du hier herein?“
    „Ich habe sie gebeten, mich herzubringen“, miaute die sonore Stimme des Katers, den ich erst jetzt an meinem Fußende bemerkte. Sein Schwanz bewegte sich unruhig hin und her, während er mit den Briefbögen spielte, die ich nach der Abfassung des Briefes an Salandar verstreut hatte liegen lassen.
    „Aha“, brummte ich verwirrt. Das Tier sprach, als würde dies alles erklären. Ich sah Maria an.
    „Wen hast du gebeten, dich herzubringen?“
    „Hagen.“
    „Wo ist Hagen?“
    „Jemand anderem schöne Augen machen?“
    Ich stöhnte schwach und ließ mich in meinen Kissenberg zurückfallen.
    Marius‘ pelziges Gesicht tauchte vor mir auf.
    „Was willst du, Kater?“
    „Ich muss mit dir reden!“
    „Wirklich?“
    Die Ironie in meiner Stimme musste bis nach Hameln zu hören gewesen sein, dennoch stimmte Marius mir einfach fröhlich zu.
    „Ja.“
    „Woher weiß Maria von dir?“
    „Ich habe mich ihr vorgestellt“, erklärte das Tier.
    Ich lugte an dem Pelzträger vorbei auf die – zugegebenermaßen bei Tageslicht wirklich auffällig anziehende – Jägerin.
    „Sie hat dich nicht dafür getötet, dass du sprechen kannst? Mit Schrot erschossen, dir das Fell abgezogen und die Löcher fein säuberlich wieder gestopft, um im Winter ein warmes Katzenfell für den Rücken zu haben?“
    Der Kopf des Katers fuhr irritiert herum.
    Maria legte den Kopf schief. Sie sah unberechenbar aus, gefährlich. Ich mochte

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