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Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Titel: Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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das.
    „Sagen wir, ich habe mich vorübergehend belehren lassen“, gestand sie.
    „Du hast also Glück gehabt, Kater“, schlussfolgerte ich.
    Marius schluckte.
    „Schieß los!“
    Aber das tat er nicht, denn immerhin war er Angehöriger der Spezies der Katzen. Was hätte ihn also davon abhalten sollen, sich in aller Ruhe zu rekeln und zu strecken und so den Spannungs- und Aufmerksamkeitsbogen ein wenig zu dehnen?
    „Ich habe ein Gespräch belauscht“, begann er, und ich hörte gebannt zu.
    7.
    „Vergib mir, oh Herr, denn ich habe gesündigt! Im Geiste bereits, und ich werde Taten folgen lassen müssen.“
    Pastor Steinberg kniete vor dem schlichten, mannshohen Holzkreuz in der Michaeliskirche. Die Tür hatte er vorsorglich abgeschlossen. Ein Gotteshaus sollte immer ein offener Ort sein, außer wenn man es für sich allein brauchte.
    Was die Witwe Conradi ihm anvertraut hatte, hatte ihn bestürzt. Ja, mehr noch, er wusste weder ein noch aus mit seinem Verstand.
    Zwei Tage zuvor war sie zu ihm gekommen, an einem Tag, so grau und verregnet, wie der Herbst dieses Jahres es seit Wochen erbarmungslos zustande brachte. Sie hatte um eine Beichte gebeten, wie es in der katholischen Kirche weitaus üblicher war als unter Protestanten. Doch da er von Natur aus eher dem Konservativismus anhing, hatte er sie zu einem Beichtgespräch bestellt, wie es einen frommen Katholiken möglicherweise vor Neid hätte erblassen lassen.
    Aber sie hatte keine Sünde bekennen oder beichten wollen, ganz im Gegenteil war sie sich keiner Schuld bewusst gewesen, sondern hatte gezetert und verurteilt.
    Dann hatte sie erzählt, wie sie Gottes Racheengel zu sich gerufen hatte und in Gedenken an ihren Mann zur Läuterung des Volkes zu den Abbruchkanten der Moral schickte.
    Der Racheengel.
    Wie auch immer er aussah, ob mit Flammenschwert oder als berittener Toter der Apokalypse. Eigentlich wollte Steinberg es gar nicht wissen, denn je mehr er wusste, desto schwerer lastete das Wissen auf seinem Gewissen.
    Niemand konnte einen Engel beschwören, ein übernatürliches Wesen, einen treuen Boten eines gerechten Gottes. Kein Mensch konnte einem Engel befehlen. Dennoch hatte Theresa Conradi behauptet, es getan zu haben. Sie hatte erzählt, wie sie die Sünder jeweils mittels einer Finte in die Einsamkeit gelockt und sie dort dem Zorn des Herrn für ihr unmoralisches und ungebührliches Verhalten überlassen hatte.
    Steinberg wusste nicht, ob er in der Lage war zu fassen, was hier geschah. Hatten etwa seine sonntäglichen Predigten die arme Frau derart fehlgeleitet, dass sich die Grausamkeit wie dunkles Eis in ihr Herz gefressen hatte? War er am Ende etwa mitschuldig an all dem, was seit dem Sommer passiert war? Wie passte das in seine erlernte, stets gelebte Glaubenswelt, in der es einen Gerechtigkeit stiftenden Gott gab? Zwar hatte Gott geboten, was als moralische Verfehlung zu gelten hatte und was nicht, aber hatte er nicht auch gleichzeitig durch Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, geboten, dass sich Menschen nicht eigenmächtig zum Richter aufschwingen durften?
    Wie passte dies zusammen mit seinem festen Glauben daran, dass die Gespenster und Erscheinungen, gegen die diese drei vom Grafen engagierten Glücksritter hier augenscheinlich handfest vorzugehen hatten, nicht existierten? Sollte sich alles, woran er glaubte, am Ende als relativ herausstellen?
    Er musste handeln.
    Wenn das Handeln selbst nur nicht so viel Mut für sich beanspruchen würde ... vor allem zur Überwindung des eigenen Ichs.
    Also würde er noch eine Weile beten. Dem Herrn ein Gebet zu schenken, hatte noch niemandem geschadet.
    8.
    Es gab Tage, an denen wisperte das Schicksal nur eine Häuserecke weiter von Vergangenheit und Tatendrang. Aber nur selten schaffte man es, einen Blick hinter eben diese Ecke zu erhaschen.
    Hagens Emotionen wären mit einem Wort treffend zu beschreiben gewesen: Frustration.
    Für ihn und Anna gab es keine Zukunft. Zumindest keine nennenswerte. Zudem schien natürlich das ganze Unterfangen, das ihn und seine Begleiter nun schon seit Wochen hier festhielt, sich nicht so recht vorwärts zu bewegen. Stillstand war vielleicht nicht die passendste Bezeichnung, aber er wusste es auch nicht besser. Nein, immerhin bewegte sich ja etwas in dem Fall. Oder den Fällen? Diese Bewegung jedoch war eher mit einer kontinuierlichen Verknotung zu vergleichen. Das Gebilde schien undurchdringlich, und jedes Mal, wenn man den Eindruck hätte gewinnen können, einen

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