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Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Titel: Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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es nicht besonders häufig in Gebrauch war.
    Aus langweiliger Neugierde heraus stieg ich die Treppen zur Galerie hinauf und betrat den obigen Salon. Dort saß Hagen an einem alten Klavier und spielte. Nicht großartig, aber immerhin akzeptabel, sah man von kleinen Schlenzern und dem verstimmten Klavier ab.
    Auf dem Klavierkasten erkannte ich eine bereits angebrochene Flasche Rum, aus der mein Kumpan augenscheinlich von Zeit zu Zeit trank.
    Herzeleid. Das war mein erster Gedanke, doch wusste ich noch nicht, dass ich damit ziemlich daneben lag.
    Als ich das Klavier erreichte, sah Hagen mich aus traurigen Hundeaugen an.
    „Ich muss mit dir reden!“, sagten wir gleichzeitig.
    „Das alles hier ist eine Farce!“, setzte Hagen nach, und es klang aus seinem Mund auf eine spezielle Weise furchtbar bitter.
    Also zog ich den zweiten Klavierhocker heran und nahm mir vor, Hagen zuzuhören.

K apitel 7

    Ein Hauch von Sinn hinter allem
    1.
    Z utiefst beunruhigend waren die Dinge, die Hagen und ich einander zu erzählen hatten. Besonders Hagens Teil der Geschichte ließ mich innerlich wanken. Wie viel von dem, was hier geschah, war tatsächlich nur noch eine Schmierenkomödie? Wie viel war real? Wem bedeutete was wie viel hier in dieser verrückt gewordenen kleinen Grafschaft in der Mitte vom Nirgendwo?
    Eventuell hätten wir uns gar nicht hierher wagen sollen. Hätte ich doch auf mein erstes, ureigenstes und völlig irrationales Gefühl gehört, als Salandar den Brief vorgelesen hatte! Aber nein, Gewinn-, Genuss- und Erfolgssucht hatten uns unvorsichtig sein lassen. Mein Gott, ein Graf des deutschen Bundes, der unsere Dienste von sich aus in Anspruch zu nehmen begehrte? War das die Spitze unserer Karriere? Der Punkt, an dem man so viel von der Welt gesehen und bekommen hatte, dass es an der Zeit wurde, irgendwo sesshaft zu werden und den lieben Herrgott einen guten Mann sein zu lassen?
    Eventuell war dies ein solcher Wendepunkt. Vielleicht kam er auch mit den gebührenden Pauken und Fanfaren daher. Nur, dass sie nicht für uns spielen wollten. Wir drei Geisterjäger waren hier am falschen Ort. Was wie ein einfach zu erledigender Auftrag geklungen hatte, wurde zum Niemandsland der Verzweiflung für uns.
    Ich stand auf, setzte die Rumflasche an und trank einen Schluck des starken, leicht rosa schimmernden Destillats. Mit vor brennendem Schmerz verzogenem Gesicht wischte ich mir das Teufelszeug aus den Mundwinkeln und fixierte den verzweifelten Hagen auf seinem Klavierhocker.
    „Der Graf hat also seine Spielchen mit uns gespielt?“, resümierte ich das, was Hagen mir soeben haarklein berichtet hatte, kalt, während ich das fade Herbstlicht durch die schimmernde Flüssigkeit in der Flasche hindurch betrachtete.
    Hagen stöhnte. Oder seufzte. Das mochte in seinem Fall und in diesem Augenblick vielleicht dasselbe sein.
    „Ich habe Anna gar nicht den Hof gemacht“, jammerte er.
    „Nein?“
    Die Spöttelei des Ungläubigen lag in meiner Stimme.
    „Nein“, sagte Hagen. „Zumindest am Anfang nicht. Ich hatte endlich einmal jemanden zum Reden. Jemanden, der sich in seiner aufgezwungenen Adelshaut genauso unwohl fühlte wie ich. Adel verpflichtet und kann zu einem Gefängnis der Seele werden. Doch Blut ist dicker als Wasser und man liebt seine Familie trotzdem, obwohl sie einen in eine gläserne Truhe sperrt. Viel schlimmer noch bei uns, da wir ja auf der einen Seite den Schein zu wahren haben, auf der anderen Seite auch nicht groß in Erscheinung treten.“
    Mit schiefgelegtem Kopf sann ich über Hagens Worte nach. Ich hatte mir früher schon überlegt, dass ich mit dem Adel zwar das Geld, keineswegs aber die gesellschaftlichen Verpflichtungen zu tauschen bereit gewesen wäre.
    „Anna geht es ähnlich“, sang Hagen sein Klagelied weiter. „Sie gehört zu gewissen Adelskreisen, aber sitzt hier mitten im Nirgendwo. Nicht arm zwar, aber auch bei Weitem nicht vermögend genug, um sich in höheren Ligen zu bewegen. Eine Puppe aus bestem Porzellan, zu schade, um sie anzufassen, zu teuer, um sie wegzuwerfen.“
    Zumindest hoffte ich, eine vage Ahnung dessen zu erhaschen, was die beiden jungen Adeligen an Seelenleid teilten, auch wenn mir ihre Welt vielleicht immerdar hauptsächlich Rätsel aufgeben würde.
    „Was jetzt?“, hakte ich schließlich nach, als Hagen seine aufgebrachte Tirade offenbar nicht fortzuführen gedachte.
    „Jetzt ist alles egal“, hörte ich den Zorn eines Jungen. „Jetzt lass uns die Sache hier zu Ende

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