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Lange Finger - flinke Beine

Lange Finger - flinke Beine

Titel: Lange Finger - flinke Beine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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befinden sich alle Einnahmen in diesem Beutel! Für jede Sekunde mehr schlage ich dir eine Beule auf den Kugelkopf!«
    Besagter Beutel flog dem Lotterieeinnehmer entgegen. Die eiskalte, gar nicht mehr heisere Stimme und die eckigen, drohenden Bewegungen ließen dem äußerst wohlbeleibten Stamford ringsum Gänsehaut wachsen.
    »Ich beuge mich der Gewalt!« lamentierte er, während er das Geld aus der Tageskasse in den Beutel warf. Und mit einem beleidigten Augenaufschlag stellte er grimmig fest: »Ihr sucht euch immer die Falschen aus. Warum geht ihr nicht zu den Reichen plündern?«
    »Eine Minute und zehn Sekunden sind vorbei!« bemerkte der falsche Polizist kalt und ungerührt.
    »Die Kasse ist leer. Das ist alles!«
    »Das Geld aus dem Wandtresor! Denk an die Beulen! Mich sollte man besonders mittwochs nicht reizen!«
    Arnie Stamford fröstelte. Dieser Kerl brachte es fertig und schlug ihm tatsächlich Beulen. Er nahm den großen Kalender, der jedes Jahr von der Whiskyfirma kam, von der Wand und schloß die dahinter verborgene Tresortür auf. Er wußte genau, wieviel er darin hatte. Bis auf den Cent abgerundet zweitausend Pfund. Die Einnahmen von Montag und Dienstag.
    »Ich heiße Hopkins, Gary Hopkins, falls dich die Polizei fragt. Kapiert?« zischte ihm Hopkins zu und knallte dabei den Revolvergriff mit Wucht auf den Tresen.
    »Okay, Mister Hopkins, ich werde sagen, daß Sie Hopkins heißen!« Stamford fühlte sich im Elend seiner Machtlosigkeit in die Zeit seiner frühen Kindheit zurückversetzt, wo man ihn immer zwang, Spinat zu essen, obwohl ihm regelmäßig davon schlecht wurde.
    »So, und jetzt zieh deine Hosen aus!«
    »Mei... mei... meine Hosen?« stammelte Stamford fassungslos.
    »Spreche ich in irgendeinem chinesischen Dialekt, den man schlecht verstehen kann?«
    »Nein, nein, nur... ich meine...« Arnie löste den Gürtel, ließ die Hose fallen und trat aus ihr heraus.
    Er kam sich albern vor in Jackett, Weste, Hemd, Krawatte, Unterhose und Schuhen samt Socken.
    »So, jetzt die Unterhose!«
    Stamford befiel ein Zittern der Entrüstung. Doch bevor er etwas sagen konnte, hatte sein Peiniger bereits wieder den Lauf des Revolvers in der Hand.
    »Nur noch wenige Sekunden, dann ist meine Geduld erschöpft!« sagte er und zischte anschließend dem kleinen dicken Lotterie-Einehmer entgegen: »Die Unterhose, die Socken und die Schuhe! Wenn das alles nicht in zehn Sekunden hier vor mir auf dem Tresen liegt, liegst du hinter dem Tresen!«
    Arnie streifte eilig Unterhose, Schuhe und Socken ab und legte sie, zusammen mit seiner fast neuen karierten Hose, auf die Ladentheke. Wie 99 Prozent aller Dicken hatte er einen wahren Horror vor körperlichen Schmerzen.
    »Eine Plastiktüte, wenn ich bitten darf!«
    Der halbnackte Arnie bückte sich und fischte eine Tragtasche aus dem unteren Regal. Mit dem Kinn befahl der Gauner Stamford, die Kleidungsstücke darin zu verstauen. »Haben Sie eine scharfe Schere?«
    Arnie nickte und machte sich innerlich darauf gefaßt, daß ihm der falsche Cop jetzt auch noch die ohnehin dürftigen Locken verschneiden wollte. Wortlos holte er die schärfere der beiden Scheren aus der Schublade. Wenn schon, dann sollte die Schur schmerzlos sein. Die Schere schnitt in der Tat vorzüglich — allerdings das Telefonkabel.
    »Vergessen Sie nicht meinen Namen, Sir«, höhnte Hopkins. »Gary Hopkins! Der Schrecken der Polizei!«
    Arnie Stamford schluckte eine Speichelmischung hinunter, die sich aus Furcht, Haß, Verzweiflung, Wut und Machtlosigkeit zusammensetzte.
    Hopkins war schon an der Tür, als er sich noch einmal zurückwandte. Er sah Arnie gemach drohend an und sagte: »Und verbreiten Sie keine Lügen über mich, Sir, sonst komme ich zurück und versohle Ihnen den nackten Hintern! Ich war freundlich, zuvorkommend und immer nett zu Ihnen. Verstanden?«
    Arnie nickte.
    »Dann bis zum nächsten Mal! Deine Klamotten hier hinterlege ich am nächsten Denkmal, denk mal...« Hopkins lachte und ging. Durchs Fenster sah Arnie Stamford, wie er in aller Gemütsruhe in einen dunkelblauen Ford stieg und davonfuhr.
    Hastig wickelte sich Arnie die Tischdecke vom Tisch aus dem Hinterzimmer um die nackten Lenden und hetzte in das benachbarte Blumengeschäft, um von dort aus die Polizei zu benachrichtigen.
    Mistress Lonfield, die Besitzerin, sah den barfüßigen Arnie an, wie sie wohl auch eine zweihälsige Gans angesehen hätte.
    Arnie mußte seine traurige Geschichte dreimal wiederholen, ehe Mary Lonfield

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