Lange Finger - flinke Beine
endlich begriff, daß ihr Ladennachbar zwar nicht normal gekleidet, aber sonst doch normal war. Während der tischdeckengeschürzte Arnie zurückhetzte, wählte sie mit bebenden Fingern die Nummer des Polizeinotrufs...
Der 2. Akt
Desmond Bancroft hatte den »Uhrenladen« vom Vater, der Vater von seinem und dieser ebenfalls wieder vom Vater übernommen. Desmond führte damit »Bancrofts« bereits in der vierten Generation.
Viel Einleitung für so einen kleinen Laden in der Finchley Lane. Doch der kleine Laden hatte es in sich. Auf kleinstem Raum fanden sich Raritäten, wie sie sonst kaum zu entdek-ken waren. Uhren und Ührchen waren darunter, die auf einige hundert Jahre auf dem Zifferblatt zurückblicken konnten. Wer Uhren sammelte oder ein besonders kostbares Stück zum Schenken suchte, der ging zu Bancroft.
An diesem Tag waren Bancroft und der alte Huxley, Bancrofts Spezialist für alte Werke, gerade allein im Laden, als sich die Tür mit dem altmodischen Glockenspiel öffnete und ein schnauzbärtiger Polizist den Geschäftsraum betrat. Sie unterbrachen ihre Fachsimpelei und sahen erstaunt auf den Uniformierten. Diese Gehaltsklasse verlief sich äußerst selten in ihr Reich. Sicher dachten beide dasselbe, der alte weißhaarige Huxley und der knapp vierzigjährige, blasse und zierliche Desmond Bancroft: Was der wohl will? »Keine Aufregung, Gentlemen«, sagte der falsche Polizist in der echten Uniform. »Inspektor McLannert bittet Sie, die Tür von innen abzuschließen!«
Statt einer Antwort starrten die beiden Männer den Polizisten nur verständnislos an. Der lächelte ihnen zu und machte eine beruhigende Handbewegung.
»Es ist nichts weiter, man hat nur einen Überfall auf Ihr Geschäft geplant!«
Desmond Bancroft hielt sich mit den Händen am Ladentisch fest, während sein Mund versuchte, den Schrecken zu artikulieren, doch es blieb zunächst ein stummer Schrecken. Der alte Huxley dagegen schaltete schneller. Er zog eine Kette aus der Tasche, an der ein Sicherheitsschlüssel hing. Mit raschen Schritten ging er auf die Tür zu, steckte den Schlüssel ins Schloß und drehte ihn um. »Einen Überfall hatten wir noch nie, nicht, Sir?« Es klang mehr nach Vorwurf als nach bloßer Feststellung. Bancroft schüttelte nur den Kopf.
»Lassen Sie den Schlüssel stecken!« befahl der Cop. »Hm«, nickte Huxley, dem die veränderte Stimme gar nicht aufgefallen war.
Erst als er zu Bancroft sah und dessen starren Blick wahrnahm und diesem folgte, begriff auch er, was es mit dem »Überfall« auf sich hatte.
Er stützte eine Hand in die Seite und hielt den weißhaarigen Kopf schräg. Mißbilligend sah er auf den Polizisten mit dem großkalibrigen Revolver in der Faust.
»Sie sollten sich schämen, zwei unbescholtene Bürger zu bedrohen!«
Hopkins verbeugte sich vor Huxley.
»Mein Name ist Hopkins, und ich schäme mich Ihnen zuliebe, denn ich ehre das Alter. Auf der anderen Seite bedrohe ich Sie nicht, Gentlemen, ich zeige Ihnen nur meinen ständigen Begleiter.« Hopkins warf die Waffe hoch und fing sie wieder auf. »Das ist Billy. Wenn er losgeht, gibt’s Löcher, durch die Sie den Arm stecken können, wenn Sie dann noch können. Aber sicher wollen Sie das nicht, Alterchen!«
»Nein, natürlich will er das nicht!« warf Desmond Bancroft hastig ein.
Hopkins deutete mit dem Lauf der Waffe auf Bancroft. »Wer ist diese Miniaturausgabe von einem Mann?«
Und wieder schaltete Huxley schneller. Während Bancroft noch entrüstet nach Atem rang, lächelte Huxley dem Eindringling zu und log:
»Das ist mein Kollege Albert Mosken. Wir sind beide bei Mister Bancroft angestellt.«
»Und wo steckt Mister Bancroft selbst?«
»Mister Bancroft kuriert zur Zeit eine Grippe aus.« Hopkins nickte. »Okay, kommen wir zum Geschäft. Ich benötige für meinen eigenen Bedarf ein Dutzend goldene Uhren. Nichts Altes, versteht sich. Antiquitäten nimmt kaum noch ein seriöser Hehler in Zahlung.« Er seufzte elegisch: »Die werden auch immer anspruchsvoller. Es ist wahrhaftig nicht mehr leicht, ein fröhlicher Dieb zu sein. Also, Freunde, machen wir uns an die Arbeit. Wo finde ich die goldenen Uhren für den vornehmen Gentleman?« Bancroft breitete die Arme aus und rief theatralisch: »Nur über meine Leiche!«
»Oh«, gab Hopkins höflich zurück und hob seinen Revolver, »dieses Problem läßt sich lösen.«
»Halt!« Huxley wandte sich mit beschwörender Miene Bancroft zu.
»Seien Sie nicht albern, Albert. In unserem Vertrag
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