Lange Finger - flinke Beine
würdigte ihn keines Blickes.
»Meine Perlen können Sie gern haben, die sind sowieso falsch!« rief Missis Cornfield und stieß ein schrilles Lachen aus. Doch niemand fiel ein.
Der Wortführer nahm seine Waffe in Anschlag und schnauzte: »Meine Leute werden jetzt einsammeln. Los!«
Der Kapitän, vom Steward über den Funkspruch Higgins’ informiert, drängte sich nach vorn. Nur Zeit gewinnen! lautete seine Devise.
»Wenn Sie uns schon ausrauben müssen, dann benehmen Sie sich wenigstens dabei wie Gentlemen. Jeder wird Ihnen freiwillig geben, was er entbehren kann.«
Selbst durch die schwarze Schminke hindurch konnte man erkennen, wie sich der Mund des Gangsters spöttisch verzog.
»Wir sind keine Gentlemen, Mister Kapitän! Das wäre alles zu diesem Thema!«
Er wandte sich von Jackson ab und einer größeren Gruppe von Passagieren zur Linken zu.
»Wo ist Missis Clayford mit ihrer Schmuckkollektion?« Schweigen antwortete ihm.
»Du und du — sucht sie! Ihr anderen an die Arbeit!« Linda Clayford, die Frau des Bankdirektors Jeremy Clayford, war bekannt dafür, daß sie keine Gelegenheit verstreichen ließ, um ihren Wohlstand ins rechte Licht zu setzen. Heute war eine solche Gelegenheit. So hatte sie jedenfalls gedacht.
Die beiden ausgeschickten Piraten stöberten sie in der Pantry auf, wo sie sich versteckt hatte. Ohne Schmuck! Als die beiden ihr drohten, sie über Bord zu werfen, zeigte sie zitternd auf einen an der Wand hängenden Topf. Er enthielt ihren gesamten Schmuck im Wert von über einer halben Million Dollar.
Das Ende vom gar nicht lustigen Lied
12 Uhr 25 hatten die »schwarzen Männer« ihr Werk vollendet. Schweigend sprangen sie in ihre Boote zurück. George Slade raste, und der Kapitän schüttelte drohend die Fäuste hinter ihnen her.
12 Uhr 40, fünfzehn Minuten nach den alarmierenden Funksprüchen, preschte das Schnellboot der Flußpolizei heran, während sich von Osten her der Polizeihubschrauber näherte.
Gegen 15 Uhr fand man die zurückgelassenen Motorboote der Piraten. Von ihnen selbst fehlte vorläufig jede Spur. Im Laufe der sofort einsetzenden Untersuchung stellte sich heraus, daß die Banditen an Bord der »Golden Mary« einen Komplizen gehabt hatten.
Nach neunstündigem Verhör brach dieser zusammen und verriet, was er wußte.
Trotzdem dauerte es noch mehrere Monate, bis die beiden Rädelsführer dieses Coups der Polizei ins Netz gingen.
Die kriminalistische Schlußfrage:
Wer war der Komplize an Bord der »Golden Mary«?
Der plötzliche Tod einer feinen Dame
Es war Dienstag, 12 Uhr 30.
Anton Buscher, 59 Jahre, und Ehefrau Mathilde, 52 Jahre, saßen beim Mittagessen. Es gab Kartoffeln, Kraut und gebratene Brustrippchen vom Schwein. Es gab oft gebratene Brustrippchen vom Schwein. Das lag in erster Linie an Mathildes Bruder Ernst, der als... nun ja, sagen wir, als freischaffender Metzger im Supermarkt am Dorotheenpark arbeitete. Ernst, ein Pensionär, tat solches nur, wenn man ihn sehr bat. Man bat ihn oft sehr.
Doch kehren wir zu den Buschers zurück.
Anton, ein mürrischer und bullig wirkender Mann, war Hausmeister des Appartement-Hochhauses »An der Heide«. Es handelte sich um eine Tätigkeit, die ihn voll in Anspruch nahm.
Da Anton Buscher ein Mensch ohne wesentliche Kenntnisse der Psychologie war und er in jedem Neurotiker eine Art von Lebewesen sah, das nur mit viel Raffinesse außerhalb der Mauern einer Irrenanstalt lebte, setzte sich die Mieterschaft seiner Auffassung nach zu zwei Dritteln aus Verrückten zusammen. Denn nur Verrückte waren willens und in der Lage, die hohen Mieten zu bezahlen.
Es war mittlerweile 12 Uhr 55 geworden.
Anton nagte gerade mit einer Mischung aus Resignation und Widerwillen die vierte Rippe ab, als das Telefon klingelte...
»Das Telefon, Anton«, bemerkte Mathilde.
»Ich bin nicht taub... obwohl, verdammt, obwohl mir die Scheißrippchen schon aus den Ohren stehen!«
Anton warf den Knochenrest auf den Teller zurück, fuhr mit beiden Händen an der Hose entlang und erhob sich.
»Ja, hier ist Buscher!« raunzte er unhöflich in den Apparat!
- - -
»Wer ist dort?«
- - -
»Moment mal!
Mathilde, dreh mal das Radio leiser!«
Mathilde Buscher erhob sich ebenfalls und drehte den entsprechenden Knopf mit dem rechten Handrücken nach links.
»So, jetzt kann ich Sie besser verstehen! Also was war los?«
- - -
»Nee, hab ich nicht gesehen!«
- - -
Jetzt klang seine Stimme aggressiv: »Hören Sie, Frau oder Fräulein Lind,
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