Lange Zähne
der Knie bis zu seinem
Scheitel, mit Löchern für sein Gesicht und die angeschlossenen Schläuche.
Cavuto stand neben dem Krankenhausbett und machte sich Notizen.
»Du und deine Freunde haben also
gerade Wäsche gewaschen, als eine unbewaffnete, rothaarige Frau euch
angegriffen und so zugerichtet hat, daß ihr alle drei ins Krankenhaus mußtet?
War's so?«
»Sie war'n Ninja, Mann. Ich kenne
mich da aus. Ich krieg über Kabel den Kick-Boxen-Kanal.«
Cavuto kaute an einer
unangezündeten Zigarre, während er Small mit hochgezogener Augenbraue
betrachtete. »Dein Freund James sagt uns, sie wäre zwei Meter groß gewesen und hätte
gute neunzig Kilo gewogen.«
»Nein, Mann, sie war höchstens
einsfünfundsechzig, einssiebzig.«
»Und dein anderer Kumpel« - Cavuto
suchte den Namen in seinem Notizbuch - »Kid Jay, sagt uns, daß es eine Gang von
Mexikanern war.«
»Nein, Mann, das träumt der nur ; es war nur eine einzige Ninja-Tussi.«
»Eine ein Meter fünfundsechzig
große Frau hat euch drei kräftige Jungs also so zugerichtet?«
»Ja. Wir sitzen da so und denken
nichts Böses. Sie kommt rein und fragt nach Kleingeld. James sagt nein, er muß
noch was in den Trockner stecken, und da ist sie plötzlich ausgerastet. Sie ist
ein Ninja.«
»Vielen Dank, LaOtis, du warst uns
eine große Hilfe.« Cavuto warf Rivera einen Blick zu, und sie verließen das
Krankenzimmer.
Im Flur sagte Rivera: »Wir suchen
also nach einer Gang von rothaarigen Ninja-Mexikanern.«
»Denkst du, da steckt ein Körnchen
Wahrheit in dem ganzen Mist?« fragte Cavuto.
»Sie waren alle bewußtlos, als sie
eingeliefert wurden, und offenkundig haben sie ihre Geschichten nicht
abgesprochen. Wenn wir also all das rausstreichen, was nicht übereinstimmt,
dann bleibt am Ende eine Frau mit langen roten Haaren.«
»Glaubst du wirklich, daß eine
Frau die drei so in die Mangel nehmen und zwei anderen das Genick brechen kann,
ohne daß die sich wehren?
»Auf keinen Fall«, erwiderte
Rivera. Sein Pieper meldete sich. Rivera sah auf die Nummer. »Ich muß mich auf
dem Revier melden.«
Cavuto blieb stehen. »Mach das.
Ich gehe noch mal zu LaOtis rein. Wir treffen uns vor der Notaufnahme.«
»Immer sachte, Nick, der Typ liegt
im Streckverband.«
Cavuto grinste breit. »Ganz schön
erregend, findest du nicht?« Er drehte sich um und schlurfte zurück zu LaOtis'
Zimmer.
Jody ging mit Tommy zur Market
Street, schaute zu, wie er einen Hamburger und Fritten aß, und setzte ihn in den
42er Bus zur Arbeit. Es war öde gewesen, die Zeit totzuschlagen, während Tommy
arbeitete. Jody hatte ausprobiert, im Loft zu bleiben, hatte sich
Late-Night-Talkshows und alte Filme über Kabel angesehen, hatte Illustrierte
gelesen und ein bißchen aufgeräumt, aber spätestens um zwei Uhr nachts
übermannte sie das Eingesperrte-Katze-Gefühl, und sie ging raus und schlenderte
durch die Straßen.
Manchmal mischte sie sich unter
die Obdachlosen und die Schwärme von Tagungsteilnehmern auf der Market, dann
wieder fuhr sie mit dem Bus nach North Beach und schaute sich auf dem Broadway
an, wie die Seemänner und die Punks betrunken oder stoned umhertorkelten oder
die Nutten und die Zuhälter ihren Geschäften nachgingen. Hier, auf diesen
bevölkerten Straßen, fühlte sie sich am einsamsten. Immer wieder wollte sie
sich zu jemandem umwenden und auf ein einzigartiges Wärmemuster oder die dunkle
Aura, die sie um Kranke sah, aufmerksam machen ; wie ein Kind, das
einem die Wolkentiere zeigte, die über den Sommerhimmel zogen. Aber niemand
außer ihr konnte sehen, was sie sah, niemand hörte die geflüsterten Angebote,
die nachdrücklichen Ablehnungen oder das Rascheln von Geld, das in Gassen und
Türeingängen den Besitzer wechselte.
In anderen Nächten schlich Jody
durch dunkle Gassen und lauschte der Symphonie von Geräuschen, die niemand
sonst hörte, roch das Spektrum an Gerüchen, die Jodys Wortschatz längst
erschöpft hatten. Jede Nacht kamen mehr namenlose Anblicke und Gerüche und
Geräusche dazu, sie stürzten so schnell und vielfältig auf sie ein, daß Jody
schließlich aufgab, ihnen Namen zu geben.
So muß es sein, wenn man ein Tier
ist, dachte sie. Nur Sinneseindrücke, direkt, unmittelbar und wortlos ; Erinnerung und Wiedererkennen, aber keine Worte. Ein Dichter, der meine Sinne
hätte, könnte ein ganzes Leben mit dem Versuch zubringen zu beschreiben, wie es
ist, wenn man ein Haus atmen hört, oder das Altern von Beton riecht. Aber
wofür? Warum ein Lied
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