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Lange Zähne

Lange Zähne

Titel: Lange Zähne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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dem Trinken fertig war, zu Staub zerfallen, so daß nur noch ein Haufen
leerer Kleidungsstücke übrigblieb. Nachdem sie einen Moment lang auf den
Kleiderhaufen gestarrt hatte, schüttelte Jody den Schock ab und sammelte die
Klamotten zu einem Bündel zusammen, das sie in eine nahegelegene Gasse trug.
    Der Blut-Schub raste durch ihre
Adern wie ein hundertprozentiger Espresso. Jody lehnte sich gegen einen
Müllcontainer, das Kleiderbündel wie eine Erste-Hilfe-Decke an die Brust
gepreßt. Die Gasse kippte in ihrem Blickfeld ab, dann richtete sie sich wieder
aus, dann drehte sie sich, bis Jody ganz schlecht war.
    Als die Gasse wieder zur Ruhe kam,
durchwühlte Jody die Kleidungsstücke, bis sie eine Brieftasche fand. Sie
öffnete sie und zog den Inhalt heraus. Dieses Lumpenbündel war ein Mensch
gewesen: Philips Burns stand auf dem Führerschein. Er trug zerknickte Fotos von
Freunden, ein Bibliotheksausweis, den Abholschein einer Reinigung, eine
Scheckkarte und sechsundfünfzig Dollar bei sich - Phillip Burns als
praktisches, tragbares Paket. Jody steckte die Brieftasche ein, warf die
Klamotten in den Müllcontainer, dann wischte sie sich die Hände an ihrer Jeans
ab und taumelte aus der Gasse.
    Ich habe jemanden umgebracht,
dachte sie. Mein Gott, ich habe jemanden umgebracht. Was sollte ich empfinden?
    Sie ging Block um Block entlang,
ohne darauf zu achten, wohin ihre Füße sie trugen, während sie nur auf den
Rhythmus ihrer eigenen Schritte lauschte, überdeckt vom Rauschen des Blutschubs
in ihrem Kopf. Philly war in ihre Schuhe gerieselt, und Jody setzte sich an den
Bordstein, um ihn auszukippen.
    Was ist das? dachte sie. Was soll
das bloß sein? Das ist jedenfalls nicht, was ich war, bevor ich Vampir wurde.
Was ist das? Das ist unmöglich. Das ist doch kein Mensch! Ein Mensch
kann nicht in Sekunden in Staub zerfallen. Was ist das also?
    Sie zog ihre Strümpfe aus und schüttelte
sie.
    Das ist reine Magie, dachte sie.
Das hier ist nicht irgendeine Geschichte aus einem von Tommys Büchern. Das hier
ist nicht natürlich, und was immer ich auch bin, es ist nicht natürlich. Ein
Vampir ist Magie, nicht Wissenschaft. Und wenn das passiert, wenn ein Vampir
tötet, warum findet die Polizei dann Leichen? Warum liegt dann ein Toter in
meiner Gefriertruhe?
    Sie zog ihre Schuhe und Strümpfe
wieder an und ging weiter. Es wurde langsam hell, und sie beschleunigte ihre
Schritte, dann fing sie, nachdem sie einen Blick auf ihre Uhr geworfen hatte,
an zu laufen. Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, für jeden Morgen den
Sonnenaufgang im Kalender nachzuschlagen, damit sie nicht zu weit von zu Hause
entfernt davon überrascht wurde. Von ihren fünf Jahren in der Stadt kannte sie
alle großen Straßen, aber sie mußte auch die Gassen und die dunklen
Schleichwege kennenlernen. Sie konnte es sich nicht leisten, daß jemand sie
derart schnell rennen sah.
    Während sie rannte, meldete sich
eine Stimme in ihrem Kopf. Es war ihre eigene Stimme, aber auch wieder nicht
ihre eigene Stimme. Es war die Stimme, die keine Worte für das hatte, was ihre
Sinne wahrnahmen, und doch alles verstand. Es war die Stimme, die ihr befahl,
sich vor dem Sonnenlicht zu verstecken, sich zu schützen, zu kämpfen oder zu
fliehen. Die Vampirstimme.
    »Töten ist deine Bestimmung«,
sagte die Vampirstimme. Der menschliche Teil von ihr war entsetzt. »Nein! Ich
wollte ihn nicht töten.«
    »Scheiß auf ihn. Es ist so, wie es
sein soll. Sein Leben gehört dir. Es fühlt sich doch gut an, nicht wahr?«
    Jody hörte auf, dagegen
anzukämpfen. Es fühlte sich tatsächlich gut an. Sie drängte den menschlichen
Teil in ihr beiseite und gab dem Raubtier die Zügel in die Hand, um der Sonne
einen Wettlauf um ihr Leben zu liefern.
    Nick Cavuto tigerte um den
Kreideumriß des Körpers herum, als wolle er gleich »Himmel und Hölle« auf der
Leiche spielen. »Weißt du«, sagte Cavuto und sah zu Rivera hinüber, der am
gelben Absperrband stand und versuchte, sich eines Reporters vom Chronicle zu
erwehren, »dieser Kerl geht mir auf den Sack.«
    Rivera entschuldigte sich bei dem
Reporter und stellte sich zu Cavuto neben die Leiche. »Nick, nicht so laut«,
flüsterte er.
    »Dieser tote Kerl macht mir das
Leben schwer«, sagte Cavuto. »Mein Vorschlag ist, wir erschießen ihn und
greifen uns seine Brieftasche. Schlichte Schußwunde, Motiv Raub.«
    »Er hatte keine Brieftasche«,
wandte Rivera ein.
    »Na siehst du, Raub. Hoher
Blutverlust infolge von Schußverletzung, hat

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