Lange Zähne
ich gehe?«
»Natürlich nicht. Aber du mußt
versuchen, das alles zu verstehen.«
»Ich versuche es ja. Ich tue
nichts anderes mehr. Was glaubst du denn, warum ich all diese Experimente
gemacht habe? Du tust so, als wäre es leicht für mich. Ich bin halb wahnsinnig
geworden vor Sorge um dich, und du hast nur ein paar Schritte entfernt in einem
Keller gelegen. Was hat es damit überhaupt auf sich? Wer hat dich in den Keller
gezogen?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wer immer es war, er hat dir das
Leben gerettet. War es der Vampir?«
»Ich sagte schon, ich weiß es
nicht.«
Tommy ging durch das Zimmer und
hob die Taschenbuchausgabe von Der Fürst der Finsternis auf. »Dieser
Typ, Lestat, er weiß, wenn ein anderer Vampir in der Nähe ist. Er kann es
spüren. Kannst du es spüren?«
»Klar, deshalb haben wir ja auch
einen Toten in der Gefriertruhe. Nein, ich kann es nicht spüren.«
Tommy hielt das Buch in die Höhe. »Hier
drinnen gibt es eine vollständige Geschichte der Vampir-Rasse. Ich denke, Anne
Rice kennt einen echten Vampir.«
»Das hast du auch von Bram Stoker
gedacht. Und ich habe Stunden damit zugebracht, auf einem Stuhl zu stehen und
zu versuchen, mich in eine Fledermaus zu verwandeln.«
»Nein, hier ist es anders. Lestat
ist nicht böse, er mag Menschen. Er tötet nur Mörder, die keine Reue empfinden.
Er weiß, wenn andere Vampire in der Nähe sind. Lestat kann fliegen.«
Jody sprang auf und riß ihm das
Buch aus der Hand. »Und Anne Rice kann schreiben, Tommy, aber ich halte dir das
nicht vor.«
»Du mußt ja nicht gleich
persönlich werden.«
»Hör zu, Tommy, vielleicht steckt
da ein Körnchen Wahrheit in einem dieser Bücher, die du liest, aber woher
sollen wir wissen, was stimmt? Na? Niemand hat mir eine
Scheiß-Betriebsanleitung mitgegeben, als ich diese Reißzähne bekam. Ich tue
mein Bestes.«
Tommy wandte den Blick von ihr ab
und sah auf seine Schuhe. »Du hast recht, es tut mir leid. Ich bin verwirrt und
ein bißchen verängstigt. Ich weiß ja auch nicht, was ich tue. Zum Teufel, Jody,
du könntest jetzt Aids haben oder so was.«
»Ich habe kein Aids. Ich weiß es.«
»Woher weißt du das? Wir können
dich ja wohl kaum ins Krankenhaus schicken, damit du einen Test machen läßt.«
»Ich weiß es einfach, Tommy. Ich könnte es fühlen, wenn es so wäre. Mit
Ausnahme von Sonnenlicht und normalem Essen bin ich nicht einmal mehr gegen
irgend etwas allergisch. Handlotionen und Seifen, in deren Nähe ich früher
nicht einmal kommen durfte, ohne daß ich mich kratzen mußte, können mir nichts
mehr anhaben. Ich habe selbst ein paar Versuche an mir unternommen. Mein Körper
läßt nicht zu, daß mir irgend etwas schadet. Ich bin immun. Außerdem ...« Jody
hielt inne und wartete grinsend darauf, daß er nachfragte.
»Außerdem was?«
»Er hat ein Kondom benutzt.«
Tommy starrte wieder auf seine
Schuhe, er sagte nichts, dann sah er zu ihr hoch und lachte. »Das ist echt
krank, Jody.«
Sie nickte und lachte.
»Ich liebe dich«, sagte er und kam
zu ihr herüber, um sie in die Arme zu nehmen.
»Ich dich auch«, sagte sie und
erwiderte die Umarmung. »Das ist wirklich krank, weißt du das?«
»Ja«, erwiderte sie. »Tommy, ich
möchte diesen wunderbaren Moment ja nicht zerstören, aber ich muß dringend
unter die Dusche.« Sie küßte ihn und schubste ihn sanft von sich, dann
entschwand sie in Richtung Badezimmer.
»Äh, Jody«, rief er ihr nach, »ich
habe dir heute in Chinatown ein Geschenk gekauft.«
Es gibt eine Erklärung dafür,
dachte sie bei sich, während sie im Badezimmer stand und die Schildkröten
anstarrte. Es gibt einen guten Grund, daß da zwei riesige Schnappschildkröten
in meiner Wanne sind.
»Gefallen sie dir?« Tommy stand in
der Tür hinter ihr. »Die sind also für mich, ja?« Sie versuchte zu lächeln.
Versuchte es wirklich.
»Ja, Simon hat mir geholfen, sie
nach Hause zu schaffen. Im Bus wären sie mir sicher zu schwer gewesen. Sind sie
nicht toll?“
Jody sah abermals auf die Wanne,
wo die Schildkröten gerade versuchten, übereinander zu kriechen. Ihre Krallen
quietschten auf dem Porzellan, wenn sie sich bewegten.
»Ich weiß nicht, was ich sagen
soll«, sagte Jody.
»Ich dache mir, wir könnten sie
mit Fisch und so 'nem Zeug füttern, und du hättest dann immer einen Blutvorrat
zu Hause. Außer mir, meine ich.«
Sie drehte sich um und musterte
Tommy. Ja, er meinte es ernst. Er meinte es wirklich ernst. »Du hast nicht ...«
»Sie heißen Scott und
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