Lange Zähne
ihre Todesart - kein
Motiv. Den Autopsiebericht würden sie frühestens in zwölf Stunden bekommen,
aber es bestand kein Zweifel daran, daß die Morde von ein und derselben Person
begangen worden waren.
Nick Cavuto kam mit einer
Schachtel Doughnuts und einer Ausgabe des San Francisco Examiner in die
Wachstube. »Die Arschlöcher haben ihm einen Namen gegeben. Der Examiner nennt
ihn den ‚Halsbrecher’. Wenn sie dem Killer erst einmal einen Namen gegeben
haben, verdoppeln sich unsere Probleme. Hast du was rausgefunden?«
Rivera deutet auf die Notizen, die
auf seinem Schreibtisch ausgebreitet waren, und zuckte mit den Achseln. »Ich
habe die Schnauze voll, Nick. Ich kann nicht einmal mehr meine eigene Schrift
lesen. Sieh du es dir an.«
Cavuto nahm einen Doughnut aus der
Schachtel und setzte sich Rivera gegenüber hin. Er griff sich eine Handvoll
Blätter und machte sich daran, sie durchzusehen. Plötzlich hielt er inne und
blätterte zurück. Er sah hoch. »Du hast heute morgen mit diesem Flood-Jungen
gesprochen, stimmt's?«
Rivera starrte auf die Doughnuts.
Bei der Vorstellung, einen davon zu essen, drehte sich ihm der Magen um. »Ja,
er wohnt gegenüber von der Stelle, wo wir die Leiche gefunden haben. Er
arbeitet im Marina Safeway - war zur Tatzeit auf der Arbeit.«
Cavuto zog eine Augenbraue hoch.
»Der Junge hat in dem Motel gewohnt, wo wir die alte Frau gefunden haben.« »Du
nimmst mich auf den Arm.«
Cavuto hielt Rivera die Notizen
hin. »Hier, die Liste der Gäste. Eine Uniformierte hat mit dem Jungen
gesprochen. Er hat gesagt, er wäre auf der Arbeit gewesen, aber keiner hat es
überprüft.«
Rivera sah mit schmerzverzerrtem
Gesicht hoch. »Ich kann nicht glauben, daß ich das übersehen habe. Der Junge
war ein bißchen nervös, als ich mit ihm gesprochen habe. Zumeist hat sein
Freund für ihn geredet.«
Cavuto sammelte .die Zettel
zusammen. »Geh nach Hause. Dusch ausgiebig und leg dich ins Bett. Ich rufe den
Filialleiter des Safeways an und überprüfe, ob der Junge zum Zeitpunkt der
Morde tatsächlich auf der Arbeit war. Wir gehen heute abend hin und unterhalten
uns mal mit dem Jungen.«
»In Ordnung, dann laß ihn uns aber
als erstes fragen, wie er das Blut aus den Leichen rausbekommt.«
Tommy hatte zwei Stunden damit
zugebracht, Simon den Unterschied zwischen Vokalen und Konsonanten zu erklären,
bevor er aufgab und den Cowboy nach Hause schickte, damit er seinen Pickup
polieren und Sesamstraße gucken konnte. Vielleicht war Simon nicht zum
Lesen bestimmt. Vielleicht war er dazu bestimmt, ganz Instinkt und nicht Verstand
zu sein. In gewisser Hinsicht bewunderte Tommy ihn. Simon machte sich keine
Sorgen, er nahm die Dinge, wie sie kamen. Simon war wie der starke, freie und
sorglose Cassady zu Tommys grübelndem, vergeistigtem Kerouac. Vielleicht würde
er Simon in die Geschichte über das kleine Mädchen in den Südstaaten einbauen.
Die Geschichte, an der er schreiben würde, wenn er sich nicht um Jody Sorgen
machen würde.
Er saß den ganzen Tag auf der
Couch, las Der Fürst der Finsternis, bis er sich nicht mehr konzentrieren
konnte, dann tigerte er in der Wohnung umher, sah auf seine Uhr und klagte
Peary, der geduldig in der Gefriertruhe zuhörte, sein Leid.
»Weißt du, Peary, es ist sehr
rücksichtslos von ihr, mir keine Nachricht zu hinterlassen. Ich habe keine
Ahnung, was sie treibt, während ich auf der Arbeit bin. Sie könnte ein Dutzend
Affären haben, und ich würde es nicht einmal erfahren.«
Er sah achtmal im Kalender nach,
wann die Sonne untergehen würde.
»Ich weiß, ich weiß, bis ich Jody
kennengelernt habe, habe ich nie wirklich etwas erlebt. Deshalb bin ich ja hergekommen,
stimmt's? In Ordnung, ich bin unfair, aber vielleicht wäre ich mit einer
normalen Frau besser dran. Jody versteht einfach nicht, daß ich nicht so bin
wie die anderen Typen. Daß ich etwas Besonderes bin. Ich bin ein
Schriftsteller. Ich kann mit Streß nicht so fertigwerden wie andere Typen - ich
nehme es persönlich.«
Tommy wärmte sich ein Tiefkühlmenü
auf und ließ den Gefriertruhedeckel offen, damit Peary ihn besser hören konnte.
«Ich muß an die Zukunft denken,
verstehst du. Wenn ich erstmal ein berühmter Schriftsteller bin, muß ich zu
Lesungen fahren. Sie kann nicht mitkommen. Was soll ich denen sagen: ‚Nein, tut
mir leid, ich kann nicht fahren. Wenn ich wegfahre, wird meine Frau
verhungern’?«
Er tigerte um die Schildkröten
herum, die in ihren Kisten strampelten. Eine von ihnen
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