Langoliers
meisten Geschichten waren ursprünglich in Herrenmagazinen veröffentlicht worden, zwischen Bildern von Frauen, die eine Menge Augen-Make-up trugen, aber sonst nicht mehr viel. Er war zu Anfang nicht der Autor für den New Yorker oder Esquire gewesen, und heute auch nicht.
Aber eine der Geschichten war im Ellery Queens Kriminalmagazin veröffentlicht worden. Sie trug den Titel »Zeit zu säen«, und diese Geschichte schlug er jetzt auf.
Eine Frau, die einem die Liebe stahl, wenn man außer Liebe nichts hatte, taugte nicht viel – das jedenfalls war die Meinung von Tommy Havelock. Er beschloss, sie umzubringen. Er wusste sogar den Ort, wo er es machen würde, den genauen Ort: in dem kleinen Garten, den sie in dem spitzen Winkel angelegt hatte, wo das Haus und die Scheune zusammenstießen.
Mort setzte sich und arbeitete sich langsam durch die beiden Geschichten, wobei er immer wieder hin und her blätterte. Als er sie halb durch hatte, wurde ihm klar, dass er wirklich nicht weiterlesen musste. An manchen Stellen unterschied sich der Stil, an vielen war er sogar derselbe, Wort für Wort. In gewisser Weise war das einerlei, denn abgesehen vom Stil waren sie identisch. In beiden brachte ein Mann seine Frau um. In beiden war die Frau eine eiskalte, gefühllose Schlampe, die sich nur um ihren Garten und ihr Einmachen kümmerte. In beiden begrub der Killer seine bessere Hälfte in ihrem Garten, hegte diesen anschließend und erzielte geradezu spektakuläre Ernten. In Morton Raineys Geschichte waren es Bohnen. In Shooters Story war es Mais. In beiden wurde der Mörder am Ende verrückt und von der Polizei gefunden, wie er Unmengen des fraglichen Produkts verschlang und schwor, dass er sie loswerden würde, dass er sie zuletzt doch noch loswerden würde.
Mort hatte sich nie als Verfasser von Horror-Stories betrachtet – und es gab kein übernatürliches Element in ›Zeit zu säen‹ –, aber es war dennoch eine unheimliche kleine Arbeit gewesen. Amy hatte sie mit einem leichten Schaudern zu Ende gelesen und gesagt: »Ich schätze, sie ist gut, aber das Denken dieses Mannes … Herrgott, Mort, wie eine Dose Würmer.«
Das hatte auch Morts eigene Empfindungen ziemlich genau ausgedrückt. Den Gefilden von ›Zeit zu säen‹ wollte er nicht zu oft einen Besuch abstatten, und die Geschichte war sicher nicht mit ›Das verräterische Herz‹ vergleichbar, aber er glaubte, er hatte gute Arbeit geleistet, den geistigen Verfall von Tom Havelock zu schildern. Der Chefredakteur von EQKM hatte zugestimmt, ebenso die Leser – die Story hatte eine Menge zustimmende Post erhalten. Der Chefredakteur hatte nach mehr verlangt, aber Mort war nie wieder eine Geschichte eingefallen, die ›Zeit zu säen‹ auch nur entfernt nahe kam.
»Ich bin sicher, ich kann es«, sagte Todd Downey und nahm sich einen weiteren Maiskolben aus der dampfenden Schüssel. »Ich bin sicher, mit der Zeit wird auch der letzte Rest von ihr verschwunden sein.«
Das war Shooters Schluss.
»Ich bin überzeugt, ich werde mit der Sache fertig«, sagte Tom Havelock zu ihnen und nahm sich eine weitere Portion Bohnen aus der heißen, dampfenden Schüssel. »Ich bin sicher, mit der Zeit wird ihr Tod selbst für mich ein Geheimnis sein.«
Das war Mort Raineys Schluss.
Mort klappte sein Exemplar von Jeder gibt den Löffel ab zu und stellte es nachdenklich ins Regal seiner Erstausgaben.
Er setzte sich und fing an, langsam und gründlich in seinen Schreibtischschubladen zu kramen. Es war ein gewaltiges Exemplar; die Möbelpacker hatten ihn in Einzelteilen ins Zimmer tragen müssen, und er hatte eine Menge Schubladen. Der Schreibtisch war einzig und allein sein Reich; weder Amy noch Mrs. G. hatten jemals Hand daran gelegt, daher waren die Schubladen voll Krimskrams, der sich in zehn Jahren angesammelt hatte. Es war vier Jahre her, seit Mort mit dem Rauchen aufgehört hatte, und falls noch Zigaretten im Haus waren, würden sie hier sein. Wenn er welche fand, würde er rauchen.
Im Augenblick war er verrückt nach einer Zigarette. Wenn er keine fand, war das auch recht; es war beruhigend, in dem alten Plunder zu stöbern. Alte Briefe, die er beiseite gelegt hatte, um sie zu beantworten, was er aber nie gemacht hatte; und was früher wichtig erschienen war, wirkte jetzt antik, sogar sinnlos: Postkarten, die er gekauft, aber nie abgeschickt hatte; Manuskripte in verschiedenen Stadien der Vervollständigung; eine halbe Tüte ziemlich alte Doritos;
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