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Langoliers

Titel: Langoliers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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schäumend und zischend über die Arbeitsplatte und die Schranktürchen. »O SCHEISSE!« brüllte er.
    Mrs. Gavin kam eiligst herein, begutachtete die Situation und sagte: »Ach, das macht doch nichts. Es hat sich angehört, als hätten Sie sich die Kehle durchgeschnitten. Gehen Sie ein wenig zur Seite, Mr. Rainey, ja?«
    Er ging beiseite, und sie nahm als erstes das Manuskript von der Arbeitsplatte und drückte es ihm wieder in die Hand. Es war immer noch unversehrt, das Getränk war in die andere Richtung geflossen. Er war einmal ein Mann mit einem einigermaßen guten Sinn für Humor gewesen – hatte er jedenfalls immer gedacht –, aber als er den kleinen Manuskriptstapel in seinen Händen betrachtete, kam nur ein galliges Gefühl der Ironie auf. Wie die Katze in dem Kinderlied, dachte er. Die immer wieder zurückkommt.
    »Wenn Sie versuchen, das zu vernichten«, sagte Mrs. Gavin und nickte in Richtung Manuskript, während sie einen Putzlappen unter der Spüle holte, »sind Sie auf dem richtigen Weg.«
    »Das ist nicht meins«, sagte er, aber es war schon komisch, oder nicht? Gestern, als er dem Mann, der es ihm gebracht hatte, das Manuskript fast aus den Händen nahm, hatte er gedacht, was der Mensch doch für ein Gewohnheitstier wäre. Offenbar erstreckte sich dieser Drang zur Gewohnheit in sämtliche Richtungen; denn als erstes, als er diese drei Sätze gelesen hatte, empfand er Schuldgefühle … und wollte Shooter (wenn das sein richtiger Name war) nicht genau, dass er das empfand? Klar doch. Sie haben meine Geschichte gestohlen, hatte er gesagt, und sollten Diebe nicht Schuldgefühle empfinden?
    »Pardon, Mr. Rainey«, sagte Mrs. Gavin und hielt den Putzlappen hoch.
    Er trat beiseite, damit sie an die Pfütze herankonnte. »Das ist nicht meins«, wiederholte er beharrte er im Grunde genommen.
    »Oh«, sagte sie, wischte die Pfütze auf der Arbeitsplatte ab und ging dann zur Spüle, um den Lappen auszuwringen. »Ich dachte, es wäre von Ihnen.«
    »Hier steht John Shooter«, sagte er, legte die Titelseite wieder obenauf und hielt sie ihr hin. »Sehen Sie?«
    Mrs. Gavin warf den kürzesten Blick auf die Titelseite, den die Höflichkeit erlaubte, dann fing sie an, die Schränkchentüren abzuwischen. »Ich dachte, es wäre so ein Wie-heißt-es-doch-gleich?« sagte sie. »Pseudonam. Oder -nym. Wie immer man zu Künstlernamen sagt.«
    »Ich benütze keins«, sagte er. »Habe ich noch nie.«
    Sie warf ihm wieder einen kurzen Blick zu – diesmal bauernschlau und leicht amüsiert –, bevor sie auf die Knie sank und die Pfütze Pepsi auf dem Boden abwischte. »Das würden Sie mir wohl kaum verraten, denke ich«, sagte sie.
    »Tut mir leid, dass ich das Cola verschüttet habe«, sagte er und schlich zur Tür.
    »Ist doch meine Aufgabe«, sagte sie kurz angebunden. Sie sah nicht wieder auf. Mort verstand den Hinweis und ging.
    Er blieb einen Augenblick im Wohnzimmer stehen und betrachtete den Staubsauger auf dem Teppich. Im Kopf hörte er den Mann mit dem runzligen Gesicht geduldig sagen: Das geht nur Sie und mich etwas an. Wir brauchen keine Außenstehenden, Mr. Rainey. Dies ist ausschließlich eine Sache zwischen Ihnen und mir.
    Mort dachte an das Gesicht, vergegenwärtigte es sich gründlich mit einem Verstand, der trainiert ist, sich Gesichter und Handlungen einzuprägen, und dachte: Es ist nicht nur ein vorübergehender Ausrutscher oder eine bizarre Art, einen Schriftsteller kennen zu lernen, den er als Berühmtheit ansieht, oder auch nicht. Er wird wiederkommen.
    Plötzlich ging er in sein Arbeitszimmer zurück und rollte dabei das Manuskript zu einer Röhre zusammen.

 
4
     
    An drei der vier Arbeitszimmerwände standen Bücherregale; eines davon war für die verschiedenen in- und ausländischen Ausgaben seiner eigenen Werke reserviert. Er hatte alles in allem sieben Bücher veröffentlicht: sechs Romane und eine Kurzgeschichtensammlung. Die Kurzgeschichtensammlung war von seiner engsten Familie und ein paar Freunden gut aufgenommen worden, bevor er Der Sohn des Leierkastenmanns geschrieben hatte, was kurz nach dem Erscheinen ein Bestseller geworden war. Die Kurzgeschichtensammlung und seine beiden ersten Romane waren wiederveröffentlicht worden, nachdem er erfolgreich geworden war, und diese Frühwerke hatten sich nicht einmal schlecht verkauft, waren aber nie annähernd so erfolgreich gewesen wie seine späteren Bücher.
    Die Kurzgeschichtensammlung trug den Titel Jeder gibt den Löffel ab, und die

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