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Langoliers

Titel: Langoliers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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veröffentlichen … oder falls er diese Absicht auf einer tieferen Ebene gehabt hatte, war sie ihm jedenfalls nicht bewusst gewesen. Im unwahrscheinlichen Fall, dass sie genommen werden würde, würde er die Geschichte zurückziehen und sagen, er wollte noch eine Zeitlang daran arbeiten. Und wenn sie sie ablehnten, konnte er sich immerhin an der Tatsache erfreuen, dass John Kintner auch nicht gut genug für Aspen Quarterly war.
    Also hatte er ihnen die Geschichte geschickt.
    Und sie hatten sie genommen.
    Und er hatte zugelassen, dass sie sie nahmen.
    Und sie hatten ihm einen Scheck über fünfundzwanzig Dollar geschickt. ›Eine Anerkennung‹, hatte es der Begleitbrief genannt.
    Und sie hatten sie veröffentlicht.
    Und Morton Rainey, der verspätete Schuldgefühle für das bekam, was er getan hatte, hatte den Scheck eingelöst und das ganze Geld eines Tages in den Opferstock der Kirche St. Catherine in Augusta gesteckt.
    Aber er hatte nicht nur Schuldgefühle gehabt, O nein.
    Mort saß am Küchentisch, hatte den Kopf auf eine Hand gestützt und wartete darauf, dass der Kaffee durchgelaufen war. Er hatte Kopfschmerzen. Er wollte nicht über John Kintner und John Kintners Geschichten nachdenken. Was er mit ›Hahnenfuß-Meile‹ gemacht hatte, gehörte zu den beschämendsten Episoden seines Lebens; war es wirklich überraschend, dass er sie so viele Jahre verdrängt hatte? Jetzt wünschte er, er könnte sie wieder verdrängen. Immerhin würde dies ein großer Tag werden – möglicherweise der größte seines Lebens. Vielleicht sogar der letzte seines Lebens. Er sollte daran denken, zur Post zu gehen. Er sollte an seine Konfrontation mit John Shooter denken, aber sein Verstand wollte diesen traurigen alten Vorfall nicht ruhen lassen.
    Als er das Magazin gesehen hatte, das tatsächliche Magazin mit seinem Namen über John Kintners Geschichte, kam er sich wie ein Mann vor, der bei einem schrecklichen Zwischenfall während des Schlafwandeins erwacht, einem unbewußten Ausflug, in dessen Verlauf er etwas Schlimmes gemacht hatte. Wie hatte er zulassen können, dass es so weit gekommen war? Es hätte ein Witz sein wollen, um Himmels willen, für ein Kichern gut …
    Aber er hatte es so weit kommen lassen. Die Geschichte war veröffentlicht worden, und es gab mindestens ein Dutzend anderer Menschen, die wussten, dass sie nicht von ihm war – einschließlich Kintner selbst. Und wenn einer davon zufällig in Aspen Quarterly blätterte …
    Er selbst erzählte es selbstverständlich keinem. Er wartete einfach, krank vor Angst. In diesem Spätsommer und Frühherbst aß und schlief er wenig, er nahm ab, dunkle Schatten bildeten sich unter seinen Augen. Sein Herz klopfte jedes Mal rasend schnell, wenn das Telefon läutete. Wenn der Anruf für ihn war, schleppte er sich mit schweren Füßen und kaltem Schweiß auf der Stirn zum Apparat, überzeugt, dass es Kintner war und seine ersten Worte lauten würden: Du hast meine Geschichte gestohlen, und deshalb muss etwas geschehen. Ich glaube, als erstes werde ich allen erzählen, dass du ein Dieb bist.
    Das Unglaublichste war: Er hatte es besser gewusst. Er hatte die möglichen Konsequenzen einer solchen Tat für einen jungen Mann, der eine Laufbahn als Schriftsteller einschlagen wollte, genau gekannt. Es war, als würde man russisches Roulette mit einer Panzerfaust spielen. Und dennoch … dennoch …
    Aber als dieser Herbst ereignislos verstrich, entspannte er sich ein wenig. Die Ausgabe des Aspen Quarterly war von einer anderen abgelöst worden. Die Ausgabe lag nicht mehr überall im ganzen Land in Bibliothekslesesälen aus; sie war ins Archiv verschwunden oder auf Mikrofilm kopiert worden. Sie konnte immer noch Ärger machen – er ging düster davon aus, dass er sein ganzes restliches Leben lang mit dieser Möglichkeit leben musste –, aber in den meisten Fällen bedeutete aus den Augen auch aus dem Sinn.
    Dann kam im November dieses Jahres ein Brief von Aspen Quarterly.
    Morton hielt ihn in der Hand, las seinen Namen auf dem Umschlag und zitterte am ganzen Körper. Seine Augen füllten sich mit einer Flüssigkeit, die zu heiß und ätzend für Tranen zu sein schien, und der Umschlag verschwamm und wurde erst doppelt, dann dreifach.
    Erwischt. Sie haben mich erwischt. Sie wollen, dass ich auf einen Brief antworte, den sie von Kintner bekommen haben … oder von Perkins … oder einem anderen aus der Klasse... Ich bin erwischt worden.
    Da hatte er an Selbstmord gedacht – ruhig

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