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Langoliers

Titel: Langoliers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Und wir müssen schnell von hier weg. Etwas ist unterwegs. Das schlimme Ding, das die Frühstücksflockengeräusche macht, ist unterwegs.«
    »Dinah«, sagte Brian, »das Flugzeug, mit dem wir gekommen sind, hat so gut wie keinen Treibstoff mehr.«
    »Dann müssen Sie eben nachfüllen!« schrie Dinah ihn schrill an. »Es kommt näher, verstehen Sie das nicht? Es kommt näher, und wenn wir nicht fort sind, werden wir sterben, sobald es hier ist. Wir werden alle sterben!«
    Ihre Stimme brach, und sie fing an zu schluchzen. Sie war keine Seherin, kein Medium, sondern nur ein kleines Mädchen, das gezwungen war, in fast vollkommener Dunkelheit mit ihrer Angst fertig zu werden. Sie taumelte auf sie zu, und ihre Selbstbeherrschung war fast völlig dahin. Laurel packte sie, bevor sie über ein Absperrungsseil der Sicherheitszone fallen konnte, und drückte sie an sich. Sie versuchte, das Mädchen zu beruhigen, aber die letzten Worte hallten in Laurels verwirrtem, erschrockenem Verstand: Wenn wir nicht fort sind, werden wir sterben. Wir werden alle sterben.
     
12
     
    Craig Toomy hörte, wie das Gör irgendwo weiter hinten zu kreischen anfing, achtete aber nicht darauf. Er hatte im dritten Schrank, den er aufmachte – auf dem der Name MARKEY auf der Vorderseite stand –, das gefunden, was er gesucht hatte. Mr. Markeys Vesper – ein Sandwich, das aus einer braunen Papiertüte ragte – lag auf dem obersten Regal. Mr. Markeys Straßenschuhe standen ordentlich nebeneinander auf dem untersten Regal. Dazwischen hingen am selben Haken ein einfaches weißes Hemd und ein Revolvergurt. Aus dem Halfter ragte der Griff von Mr. Markeys Dienstwaffe heraus.
    Craig ließ den Sicherungsgurt aufschnappen und zog die Waffe heraus. Er wusste nicht viel von Waffen – es hätte für ihn ein Zweiunddreißiger, ein Achtunddreißiger oder sogar ein Fünfundvierziger sein können –, aber er war nicht dumm, und nach ein paar Augenblicken des Herumtastens konnte er den Zylinder drehen. Alle sechs Kammern waren geladen. Er rastete den Zylinder wieder ein, nickte leicht, als er ihn klicken hörte, dann inspizierte er den Hahn und beide Seiten des Griffs. Er suchte nach einem Sicherungshebel, aber es schien keiner da zu sein. Er legte den Finger um den Abzug und zog etwas, bis er sah, wie sich Hahn und Zylinder leicht bewegten. Craig nickte zufrieden.
    Er drehte sich um, und da überkam ihn ohne Vorwarnung die schrecklichste Einsamkeit seines Erwachsenenlebens. Die Waffe schien schwerer zu werden, die Hand, in der er sie hielt, sank nach unten. Jetzt stand er mit hängenden Schultern da, seine Aktentasche baumelte in der rechten Hand, die Dienstwaffe des Wachmanns in der linken. Sein Gesicht hatte einen Ausdruck umfassendsten, kümmerlichsten Elends. Und plötzlich fiel ihm wieder etwas ein, woran er seit Jahren nicht mehr gedacht hatte: Craig Toomy, zwölf Jahre, der im Bett lag und zitterte, während ihm heiße Tränen am Gesicht hinabliefen. Im Nebenzimmer war die Stereoanlage laut aufgedreht, und seine Mutter sang mit Merrilee Rush in ihrer dröhnenden, falschen Alkoholikerstimme: ›Just call me angel … of the morning, bay- bee … just touch my cheek … before you leave me, bay-bee …‹
    Er lag im Bett. Zitterte. Weinte. Gab keinen Laut von sich. Und dachte: Warum kannst du mich nicht Heben und in Ruhe lassen, Mami? Warum kannst du mich nicht einfach lieben und in Ruhe lassen?
    »Ich will niemandem wehtun«, murmelte Craig Toomy unter Tränen. »Ich will es nicht, aber dies … dies ist unerträglich.«
    Auf der anderen Seite des Zimmers befanden sich eine Reihe von Fernsehmonitoren, alle grau. Als er sie ansah, wollte sich ihm einen Augenblick die Wahrheit dessen, was geschehen war, was immer noch geschah, aufdrängen. Einen Augenblick durchbrach sie beinahe sein komplexes System neurotischer Schutzschirme und gelangte in den Bunker, in dem er sein Leben lebte.
    Alle sind fort, Craiggy-weggy. Die ganze Welt ist fort, außer dir und den Leuten, die im Flugzeug waren.
    »Nein«, stöhnte er und brach auf einem der Stühle zusammen, die um den Resopalküchentisch in der Mitte des Zimmers herumstanden. »Nein, das stimmt nicht. Das stimmt einfach nicht. Ich weigere mich, diese Vorstellung zu akzeptieren. Ich weigere mich unter allen Umständen.«
    Die Langoliers waren da, und sie kommen wieder, sagte sein Vater. Er übertönte die Stimme seiner Mutter wie immer. Du solltest fort sein, bis sie hier eintreffen, oder du weißt, was passieren

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