Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens
auch einfach mehr Disziplin – und die trägt auf ihre ganz eigene Weise zu seiner Gesundheit bei.
Religion: Der Glaube allein versetzt keine Lebensjahre
Keine Frage: Frauen leben länger als Männer. In Deutschland und den USA unterscheidet sich ihr durchschnittliches Lebensalter um circa fünf Jahre, in Russland kommen die Männer – seit dem Zerfall der Sowjetunion – sogar nur noch auf 60 Jahre und damit auf 13 weniger als die Frauen. Kaum ein Land, in dem die beiden Geschlechter ähnlich alt werden. Zu den wenigen Ausnahmen gehört Afghanistan, wo die Männer mit 41 und die Frauen mit 42 Jahren sterben. In Zimbabwe ereilt der Tod die Frauen mit 44 sogar etwas früher als die Männer mit 45 Jahren. Doch in solchen Fällen sollte man weniger vom Alter sprechen als davon, dass beide
Geschlechter gleichermaßen dramatisch jung sind, wenn sie sterben.
Ansonsten aber gilt: Träger der XX-Chromosomen leben länger als die Besitzer des ungleichen XY-Paars. Doch liegt das wirklich an ihrem Erbgut oder an ihrem unterschiedlichen Lebensstil? Der deutsche Bevölkerungsforscher Marc Luy ging dieser Problematik Mitte der 90er auf den Grund, indem er die Lebenserwartung der Geschlechter unter völlig identischen Bedingungen untersuchte. Und wo kann man das besser machen als in einem Kloster, dessen Mitglieder dem weltlichen Treiben weitgehend entzogen sind und einem nahezu identischen Tagesrhythmus folgen?
Luy untersuchte also die Lebenserwartung von über 11500 Nonnen und Mönchen und konnte dabei keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern ausmachen. Denn die Männer hinter den Klostermauern werden um über vier Jahre älter als ihre Pendants in der freien Zivilisation, sie erreichen also fast das Alter der frei lebenden Frauen. Wobei deren Lebenserwartung wiederum nicht niedriger ist als die der Nonnen. Was alles in allem heißt:
Egalisiert man die Lebensumstände von Frauen und Männern, egalisiert sich auch ihre Lebenserwartung. Dass sie im Alltag unterschiedlich alt werden, hat keine direkten biologischen Ursachen.
Männer profitieren von einem Alltag hinter Klostermauern, Frauen jedoch nicht. Was daran liegt, dass ein Mönch die riskanten Verhaltensmerkmale eines typischen Durchschnittsmannes an der Klosterpforte abgibt, zu denen beispielsweise der hohe Alkohol- und Nikotinkonsum, die hohe Aggressionsbereitschaft gegen sich und andere sowie der Raubbau am eigenen Körper gehören. Frauen hingegen müssen das alles nicht abstreifen, weil sie es in der Regel gar nicht erst besitzen. Das Kloster besitzt also keinen direkten lebensverlängernden Effekt; es befreit nur von den männertypischen, lebensverkürzenden Risikofaktoren.
Nun findet natürlich Religiosität nicht nur in der Abgeschiedenheit von Gotteshäusern statt, sondern auch im normalen Alltag. Das Bild von Glauben und Lebenserwartung wird folglich erst dann komplett, wenn man diesen Bereich ebenfalls untersucht. Michael McCullough von der University of Miami hat die vorliegenden Studien zu dem Thema analysiert und dabei ermittelt, »dass religiöse Menschen im Vergleich zu nichtreligiösen eine um 29 Prozent größere Chance haben, am Ende eines bestimmten Zeitraums noch am Leben zu sein«. Demnach scheint ein fester Glaube das Leben in dem Sinn zu festigen, dass es ihm einen längeren Bestand verschafft.
Andererseits hat der amerikanische Psychologe nach differenzierter Betrachtung auch herausgefunden, dass sich Religiosität nur dann nachweislich positiv auf die Lebensdauer auswirkt, wenn sie in der Öffentlichkeit gelebt wird. Es kommt also nicht auf den inneren Glauben an, auf das Beten im stillen Kämmerlein, sondern auf religiöse Rituale, wie etwa auf regelmäßige Kirchenbesuche, karitative Aktionen und Treffen mit anderen Kirchenmitgliedern.
Andere Wissenschaftler bestätigen und ergänzen diese Einschätzung. So betont Lynda Powell von der Rush University in Chicago, dass weniger der Glaube an Gott als der Dienst an ihm, also der Gottesdienst zur Lebensverlängerung beiträgt. »Außerdem zeigen religiöse Menschen in vielerlei Hinsicht ein gesünderes Verhalten als andere Menschen«, so die Präventivmedizinerin. Vor allem ihr Drogenkonsum sei geringer, und sie gingen öfter zu medizinischen Vorsorgeuntersuchungen. Es ist wie bei den Vegetariern, nur dass hier spirituelle Speisen verzehrt werden: Nicht die religiöse Kost an sich, sondern der mit ihr verbundene Lebensstil verlängert das Leben. Dessen wesentliche
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