Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens
Gifte. Denn die Leber und die anderen Entgiftungsorgane sind – insbesondere, wenn ihr Besitzer oft mit Umweltgiften in Kontakt ist oder viel Alkohol trinkt – oft so überfordert, dass sie die Problemsubstanzen unverstoffwechselt im Fettdepot abspeichern müssen. Eine Art »Fettquarantäne«
für Umweltgifte also. Doch diese Quarantäne wird löchrig, wenn der Körper aufgrund einer Diät auf die Fettdepots zurückgreifen muss. Dann gelangen die Gifte ins Blut und von dort aus zu anderen Organen, wo sie durchaus Schaden anrichten können. So gelten etwa DDT und andere Chlorchemikalien als Auslöser von Krebs, die Weichmacher-Biphenyle können aufgrund ihrer hormonähnlichen Wirkung bei Männern zu Unfruchtbarkeit führen.
Außerdem setzen Diäten nicht nur Gifte frei. »Studien zeigen, dass Frauen, die mehr als vier Kilogramm in zwei Jahren abnehmen, ein um 44 Prozent erhöhtes Risiko auf eine Gallenkolik haben«, berichtet Ernährungsmediziner Franz Lammert von der Universität des Saarlandes. »Bei einer Gewichtsabnahme um mehr als 25 Prozent verdoppelt sich das Gallensteinrisiko sogar.« Eigentlich paradox, insofern Übergewicht traditionell als Hauptrisikofaktor für Gallensteine gilt. Doch Diäten verschieben die Fettzusammensetzung zu Gunsten von Cholesterin und gesättigten Fettsäuren – und dies gilt nach bisherigem Kenntnisstand als noch größerer Risikofaktor für Gallensteine.
Auch das Immunsystem leidet unter ständig wiederkehrenden Diäten. Ein Forscherteam des Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle untersuchte 114 gesunde übergewichtige Frauen im Hinblick auf die Aktivität ihrer natürlichen Killerzellen – diese können erkrankte Zellen, also auch Tumorzellen, erkennen und töten – und ihre Diätgewohnheiten in den letzten 20 Jahren. Das Ergebnis war eindeutig: Die Frauen mit den meisten Diäten hatten die Killerzellen mit der geringsten Aggressivität, ihr Immunsystem war löchrig wie ein Schweizer Käse. Laut Studienleiterin Cornelia Ulrich, die auch als Professorin am Deutschen Krebsforschungszentrum arbeitet, gebe es daher kaum noch Zweifel daran, »dass Jojo-Diäten die Immunfunktionen stören«. Ausgelöst wird dies vermutlich durch hormonelle Veränderungen, denn jede Kalorienreduktion und jede anschließende Gewichtszunahme
bedeutet nichts anderes als Stress, der sich hormonell bemerkbar macht.
Immunschwäche, Vergiftungen, Gallenkoliken, Stoffwechselentgleisungen – unter diesen Vorzeichen fällt es schwer, überhaupt noch an einen lebensverlängernden Effekt von Diäten zu glauben. Eine skandinavische Studie erhärtet diesen Verdacht. Die Wissenschaftler ermittelten darin die Lebenserwartungen von knapp 3000 übergewichtigen Zwillingen, die zum Beginn der Studie im Jahre 1975 ihre Diätpläne offenlegen und sechs Jahre später darüber berichten sollten, ob sie diese Pläne umgesetzt hatten. Ihre Sterblichkeit wurde dann über das finnische Todesfallregister 1999 ermittelt. Das Ergebnis: Die Diät-Probanden zeigten die größte Sterblichkeit. Und ihr Sterberisiko war selbst dann noch um 86 Prozent höher, wenn ihnen das Abspecken auch tatsächlich gelungen war. Also kein Jojo, das ihre Lebenserwartung verkürzte, sondern eine letzten Endes erfolgreiche Diät.
Wer also ein nur mäßiges Übergewicht hat, sollte sich besser damit arrangieren, als es mit irgendwelchen Diäten zu attackieren. Und wer einen BMI von über 30 hat – der BMI (= Body Mass Index) errechnet sich aus dem Gewicht in Kg geteilt durch das Quadrat der Körpergröße in Metern –, sollte langfristig sein Ernährungs- und Bewegungsverhalten umstellen. Dazu bedarf es freilich einer großen Disziplin. Doch die steht, wir sagten es schon, als Grundbedingung eines langen Lebens ohnehin über allem.
Medizin: Krankmacher auf Rezept
Der Mensch in unseren Breiten darf damit rechnen, zwischen 77 (Männer) und 82 (Frauen) Jahre alt zu werden. Das ist mehr als jemals zuvor. Die moderne Medizin schreibt sich diese Entwicklung gern auf ihre Fahnen, weil sie speziell im
letzten Jahrhundert, in dem die Lebenserwartung besonders nach oben geprescht ist, eine enorme Entwicklung genommen hat. Belege für diese These sind jedoch Mangelware, und man muss sie sogar stark in Zweifel ziehen. Denn neben der Medizin haben sich auch Hygiene und Ernährung deutlich weiterentwickelt, sodass die Menschen heute, zumindest in unseren Breiten, viel seltener von bösartigen Seuchen und Hungersnöten oder anderen
Weitere Kostenlose Bücher