Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens
Regel noch ein weiterer Begriff auf: die Beharrlichkeit. Oder auch Hartnäckigkeit genannt, was dann aber noch weniger Sex-Appeal hat. Denn ein harter Nacken ist alles andere als locker und daher einfach nur uncool. Nichtsdestoweniger sind es gerade die Hartnäckigen unter uns, die letzten Endes den Erfolg einfahren; und sie sind auch diejenigen, die ziemlich große Chancen auf ein langes Leben haben.
Doch bleiben wir zunächst bei den Gemeinsamkeiten von Beharrlichkeit auf der einen sowie Selbstdisziplin und Resilienz auf der anderen Seite. Ein näherer Blick zeigt, dass sie wohl einiges gemeinsam haben, sich aber auch durchaus in wesentlichen Punkten unterscheiden, sodass es sinnvoll ist, sie in getrennten Kapiteln zu behandeln.
So besteht ein wesentliches Merkmal der Beharrlichkeit darin, dass der betreffende Mensch sich von nichts abbringen lässt und unerschütterlich an einer Sache dran bleibt, mögen die Hindernisse auch noch so unüberwindlich erscheinen. Dazu gehört, dass er Niederlagen nicht als unumkehrbare Abstürze erlebt, sondern als Etappen, die man auf dem eingeschlagenen Weg überwinden muss, und das wiederum ist ein wesentliches Kennzeichen der Resilienz. Dennoch sind beide Begriffe keineswegs identisch. Während sich nämlich Resilienz auf die Fähigkeit zum Überwinden von Schicksalsschlägen fokussiert, geht Beharrlichkeit darüber hinaus.
Dies zeigt schon ein Blick auf den Alltag, in dem man viele Menschen erlebt, die sich selbst dann von einer Sache verabschieden,
obwohl sie auf dem Weg dahin noch gar keine sonderlichen Niederlagen haben einstecken müssen. Man denke nur an die zahlreichen Studenten, die alle Scheine aus ihren Seminaren gesammelt, ohne Probleme alle Klausuren hinter sich gebracht haben – und sich am Ende trotzdem nicht für ihre Abschlussprüfung anmelden. Oder an den passionierten Musiker, der sich viele Jahre an seinem Instrument perfektioniert und diverse Preise bei Nachwuchsfestivals eingeheimst hat, um am Ende doch den sicheren Job als Sachbearbeiter in einer Versicherungsgesellschaft zu wählen. Sie alle kommen von ihrem eigentlichen Weg ab, obwohl sie auf ihm noch nicht einmal Rückschläge hinnehmen mussten. Ihnen fehlt es an Beharrlichkeit, obwohl es in ihrem Leben noch nichts gab, woran sie ihre Resilienz beweisen mussten.
Bei den Begriffen Beharrlichkeit und Selbstdisziplin verhält es sich hingegen so, dass sie einerseits fast immer gleichzeitig bei einem Menschen auftreten – in nahezu allen Studien stellen sich die beharrlichsten Probanden auch als die mit der größten Selbstdisziplin heraus –, sich aber andererseits in ihrer Stoßrichtung deutlich unterscheiden. Während Hartnäckigkeit vor allem die Fähigkeit einschließt, bei einer Sache zu bleiben, betrifft Selbstdisziplin vor allem die Fähigkeit, andere Dinge zu unterlassen . Wozu beispielswiese gehört, nicht zu trinken, sich nicht zu zerstreuen und nicht seinen spontanen Impulsen nachzugeben. Selbstdisziplin betont also eher die Kunst des Nicht-Tuns, sie ist gewissermaßen die Kehrseite der Lust und Leidenschaft, die man für eine bestimmte Sache empfindet.
In jedem Fall ist Hartnäckigkeit mehr als nur die Summe von Resilienz und Disziplin, und es geht auch nicht um das altmodische »Zähne-Zusammenbeißen« oder »Sich-Zusammen-Reißen«, wie man es von älteren Pädagogikmodellen kennt. Es handelt sich vielmehr um eine besondere Form der Selbstmotivation, eine Kraft, die sich im Tun immer wieder selbst erneuert. Sie stellt damit einen eigenständigen Faktor
unserer Persönlichkeit dar – und einen eigenständigen Faktor, der uns zu einem langen Leben tragen kann.
Wie viele zusätzliche Lebensjahre es freilich bringt, ein beharrlicher Mensch zu sein, lässt sich schwer sagen, die Studienlage dazu ist weniger ergiebig als die zu Resilienz und Selbstdisziplin. Howard Friedman hat jedenfalls an seinen »Termiten« festgestellt, dass die besonders alten unter ihnen oft schon in ihrer Kindheit durch ihre Beharrlichkeit aufgefallen sind. Außerdem leben die meisten Hundertjährigen in gesellschaftlichen Systemen, in denen Hartnäckigkeit ein hoher Wert zugeschrieben wird.
Paradebeispiel ist hier wieder Japan. Dort werden die Schüler von ihren Eltern und Lehrern unablässig dazu ermahnt, permanent an sich zu arbeiten und sich zu verbessern, und man schreibt ihnen in der Regel auch vor, auf welchen Gebieten sie sich zu betätigen haben. Dergleichen wird in Europa und den USA eher als
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