Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens
Bevormundung gesehen, die das Kind an seiner individuellen Entwicklung hindert. So ähnlich wie eine Heirat, die schon in der Kindheit arrangiert wird. In Japan und auch in China ist das hingegen kein Problem.
Als die amerikanische Psychologin und Kreativitätsforscherin Ellen Winner einmal auf einer China-Reise beobachtete, wie die Kinder schon im ersten Schuljahr auf künstlerische Tätigkeiten, beispielsweise Musik oder Kalligraphie, geeicht wurden und diese dann mindestens sechs Jahre lang betreiben mussten, reagierte sie zunächst perplex und skeptisch. Sie fragte die chinesischen Lehrer, was denn passieren würde, wenn ein Kind die Lust an seinem »Hobby« verliert. Doch als Antwort erntete sie nur verständnislose Blicke und die kategorische Feststellung: »Das geschieht praktisch nie.« Später freilich verlor die Forscherin selbst ihre Skepsis, weil sie sah, dass sich die Kinder gut entwickelten und auch Spaß an ihrer Sache hatten: »Ich stellte allmählich fest, dass etwas Großartiges geschieht, denn diese Kinder werden allmählich Meister auf ihrem Gebiet. Und indem sie das bemerken und
sehen, wie gut sie durch Übung und Ausdauer werden, wächst auch ihre Motivation und sie bleiben dabei.« Es ist also nicht nur der Spaß an einer Sache, der beharrlich machen kann. Es funktioniert auch in umgekehrter Richtung, dass Beharrlichkeit schließlich zum Spaß an einer Sache führt.
Dass am Ende jene Menschen länger leben, die Spaß an dem verspüren, was sie tun, ist eine Tatsache, die eigentlich keiner wissenschaftlichen Bestätigung mehr bedarf. Dennoch wird sie durch eine aktuelle Studie britischer Sozialwissenschaftler belegt. Hierfür wurden im Jahr 2004 knapp 4000 Personen im Alter von über 50 Jahren danach gefragt, inwieweit sie noch Spaß an ihrem Leben empfinden würden. Fünf Jahre später kontaktierte Studienleiter Andrew Steptoe die Teilnehmer mit seiner Kollegin Jane Wardle erneut, und dabei zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen Lebensfreude und Lebenserwartung. Denn von den 924 Personen, die sich im Jahr 2004 besonders unglücklich äußerten, waren 7,3 Prozent bereits gestorben. Aus der Gruppe, die mit ihrem Leben besonders zufrieden war, hatten hingegen nur 3,6 Prozent bereits das Zeitliche gesegnet, also etwa die Hälfte weniger.
Die Forscher schlossen daraufhin noch Kriterien wie Alter, Geschlecht, Bildung oder Sozialstatus aus ihrer Analyse aus, um die Einflüsse externer Faktoren zu begrenzen. Doch selbst dann blieb der Lebensfreudefaktor bestehen: Für die besonders glücklichen Menschen war das Risiko, in den nächsten fünf Jahren zu sterben, um 35 Prozent niedriger.
Die englische Studie lässt trotzdem Fragen offen. Denn das Henne-Ei-Problem bleibt, wie auch Steptoe betont, weiterhin bestehen: »Offenbar besteht eine Korrelation zwischen Lebensfreude und Lebensdauer. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass das Erstere das Letztere verursacht.« Denn prinzipiell wäre es möglich, dass die Lebensfreude das Produkt einer besonders guten Gesundheit und Vitalität wäre, und dann wäre letzten Endes auch die Lebenserwartung die Folge von Gesundheit und Vitalität. Diese Bedenken zerstreuen sich
jedoch, wenn man eine englische Studie aus dem Jahr 1969 heranzieht. Darin zeigte sich, dass man von der Arbeitszufriedenheit eines Menschen – und diese macht ja einen wesentlichen Teil seiner Gesamtzufriedenheit aus – viel exakter auf seine Lebenserwartung schließen kann als von seiner physischen Fitness. Wenn also ein Mensch viel Spaß an der Arbeit hat, so wird er mit größerer Wahrscheinlichkeit ein gesegnetes Lebensalter erreichen, als wenn er gesundheitlich voll auf der Höhe ist. Der Spaß am Job schlägt also die Gesundheit, was ihre Rolle in der Lebenserwartung angeht.
Wenn man nun wieder den Bogen zu unserer ursprünglichen Erkenntnis schlägt, wonach der Spaß an einer Sache oft erst dadurch entsteht, dass man konsequent an ihr dranbleibt, liegt auf der Hand, dass auch Beharrlichkeit eine wichtige Rolle in der Lebenserwartung spielt. Das ist ähnlich wie bei der Nahrungsaufnahme, wo ja der Appetit bekanntlich auch oft erst durch das Essen kommt. Weswegen eben nicht die impulsiven und hedonistischen Spaß-Sucher, sondern die hartnäckig-disziplinierten An-Der-Sache-Dran-Bleiber in ihrem Leben zu nachhaltigem Glück und einem hohen Sterbealter finden. Voraussetzung ist allerdings, dass sie dabei nicht verkrampfen und nicht den Moment verpassen, in dem man sich von
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