Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens
Psychologin Carolyn Heitzmann von der University of Notre Dame, »dass Krebspatienten mit
einem festen Vertrauen in ihre Selbstwirksamkeit in der Therapie besser mitarbeiten, weniger depressiv sind, eine höhere Lebensqualität besitzen und letzten Endes auch länger leben als andere Krebspatienten.«
Die Fähigkeit der Selbstentschuldung. So fest resiliente Menschen auf ihre Selbstwirksamkeit vertrauen, so wenig belasten sie sich mit zermürbenden Selbstvorwürfen. Larmoyante Selbstanklagen wie »Hätte ich nicht so viel gearbeitet, dann wäre ich heute noch verheiratet«, »Wenn ich ihm nur nicht erlaubt hätte, Motorrad zu fahren ...«, »Wie konnte ich nur diese Aktien kaufen ...« sind ihnen fremd. Sie erklären ungünstige Geschehnisse nicht ausschließlich internal (»Ich bin allein schuld«), sondern auch external, dass also auch andere Personen oder äußere Umstände dazu beigetragen haben.
Wie wichtig es für die Gesundheit und damit auch für die Qualität und Länge des Lebens ist, sich nicht allzu lang mit persönlichen Schuldfragen zu quälen, zeigt eine Studie des Münchner Psychologen Dieter Frey. Er stellte Unfallopfern zwei Tage nach der Einlieferung Fragen wie: »Wer war schuld an dem Unfall? War er vermeidbar? Glauben Sie, ihre Genesung beeinflussen zu können?« Danach protokollierte er ihren Genesungsverlauf. Das Ergebnis: Patienten, die glaubten, nicht allein schuld am Unfall zu sein, erholten sich schneller (etwa 80 Tage bis zum Wiedererlangen der Arbeitsfähigkeit) als Unfallopfer, die nach dem klassischen Selbstzerfleischungsmuster – »Warum gerade ich?«, »Wie konnte mir das nur passieren?« – mit ihrem Schicksal haderten (etwa 140 Tage bis zum Wiedererlangen der Arbeitsfähigkeit).
Die Chancen auf ein langes Leben stehen also umso besser, je mehr wir mit einer großen Portion Resilienz ausgestattet sind. Das Problem ist jedoch, dass die Fähigkeit zum Stehaufmännchen in den ersten Lebensjahren der Kindheit weitgehend festgelegt wird und später von den unterschiedlichen Phasen des Lebens abhängig ist. So ist man etwa im mittleren Alter von 40 bis 50 Jahren deutlich weniger krisenfest als im
fortgeschrittenen Alter von 60 bis 70 Jahren, ohne dass man gegen diese Schwankungen etwas unternehmen könnte. Die Potenziale zum Verbessern der individuellen Resilienz sind also begrenzt, nichtsdestoweniger sind sie durchaus vorhanden. Man kann sich Resilienz bis zu einem bestimmten Grad erarbeiten, aber diese Potenziale werden nur selten genutzt.
Wir bewundern wohl die »stillen Helden«, die auch in schwersten Krisen Haltung bewahren und sogar gestärkt daraus hervorgehen. Wir haben wohl Respekt vor Eheleuten, die unermüdlich am Bett ihres sterbenden Partners sitzen, und vor mittellosen Frauen, die trotzdem nicht verzweifeln, wenn sie mit drei Kindern sitzen gelassen wurden. Und wir empfinden Spott für die »Weicheier«, die schon jammern, wenn ihr Auto kaputt ist, oder die Welt mit Selbstmordgedanken traktieren, nur weil sie bei der Beförderung übergangen wurden. Doch obwohl wir ahnen oder sogar wissen, dass etwas Heldenhaftes darin ist, die großen Katastrophen zu meistern, und etwas Jämmerliches darin, an kleinen Krisen zu zerbrechen, können wir oft nicht aus unserer Haut. Immer wieder regen wir uns über Nichtigkeiten auf. Über den Postboten, der zu spät an unseren Briefkasten kommt, über das Honorar, das nur unvollständig auf unserem Konto eingegangen ist, über das Finanzamt, das unseren Abschreibekünsten nicht folgt, und über die Pusteln, die vorübergehend für Irritationen auf unserem Antlitz sorgen.
Der Grund für solches paradoxes Verhalten liegt darin, dass wir in einer Epoche leben, in der die Machbarkeit zum Fetisch erhoben worden ist. In unserer säkularisierten Gesellschaft wollen wir Schicksalsschläge oder »Prüfungen« im Sinne Hiobs nicht mehr einfach hinnehmen, wir wollen vielmehr, dass sie gar nicht erst stattfinden. Wir ziehen unser Selbstbewusstsein daraus, dass wir Widrigkeiten ausschalten und im Vorfeld verhindern, und nicht daraus, dass sie uns widerfahren und wir dann damit klar kommen müssen. Ersteres ist modern und progressiv, Letzteres hingegen klingt devot,
passiv – und sterbenslangweilig. Wer will das schon sein? Es ist nicht das einzige Mal, dass uns die Panik davor, ein Langweiler zu sein, diverse Lebensjahre kostet.
Beharrlichkeit: Immer dran statt außen vor
Wenn von Selbstdisziplin und Resilienz die Rede ist, taucht in der
Weitere Kostenlose Bücher