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Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens

Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens

Titel: Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gütersloher Verlagshaus
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besteht darin, dass sie immer wieder auf die gleiche Weise und meistens auch zur gleichen Zeit durchgeführt werden, sodass man so routiniert in ihnen wird, dass man sie praktisch im Schlaf bewältigen kann. Dass dies zur Gesundheit beiträgt, belegt nicht nur die Weltgeschichte, sondern auch die Logik der menschlichen Physiologie. Denn wer etwas wie im Schlaf bewältigt, der spart Energien, weil er nicht vor jeder Aktion neu nachdenken muss. »Gewohnheiten sparen Zeit, Ressourcen und Planungsaufwand – dadurch lässt sich der Alltag sehr viel leichter bewältigen«, erklärt Psychologe Bernhard Schlag von der TU Dresden. Wer seine Tasche immer an der gleichen Seite seines Stuhls hinstellt, weiß beim Feierabend hundertprozentig,
wo er nach ihr greifen muss, und das erspart ihm die Mühe der langwierigen Suche. Wer stets Sex mit dem gleichen Partner hat, und das außerdem immer in den gleichen Stellungen, erspart sich ebenfalls eine Menge Stress, nämlich den Stress des Experimentellen. Das mag zwar erotisch wenig prickelnd klingen, doch darum geht es ja gar nicht. Es geht um Stressdämpfung und Energieersparnis, und die verlängern das Leben.
    Es ist vor allem unser zentrales und höchstes Steuerorgan, das von der Wiederkehr des Ewig-Gleichen profitiert. »Engster Verbündeter der Gewohnheit ist das Gehirn«, erklärt Heiko Ernst, Chefredakteur der Zeitschrift Psychologie heute . »Es neigt dazu, einmal erlernte Dinge immer wieder zu tun. Denn die neuronalen Pfade, die jeder Gewohnheit zugrunde liegen, sind wie Trampelpfade – bequem, ökonomisch und in der Regel auch nützlich.« Routine und Gewohnheiten bedeuten für das Gehirn, dass es vom anstrengenden Diskurs in den grauen Zellen seiner Außenrinde auf die automatisierten Abläufe seiner tieferen Schichten umschalten kann. Dies bedeutet wiederum eine enorme Energieersparnis, und weil die immer schon ein Pluspunkt in der Evolution gewesen ist und das Gehirn als oberster Energieverschwender – es beansprucht 75 Prozent des Gesamtzuckerbedarfs für sich, also 14 Esslöffel Zucker pro Tag! – dadurch unter einem besonderen Handlungsdruck steht, darf es nicht wundern, dass wir, gerade im fortgeschrittenen Alter, wenn uns langsam die Kräfte ausgehen, immer wieder die Routine suchen und uns in ihr beruhigt und geborgen fühlen wie dereinst im Uterus unserer Mutter.
    Gewohnheiten können geradezu eine Wirkung wie Baldrian entfalten, sie helfen uns vor allem in stressigen Zeiten, wieder zur Ruhe zu finden. Dies belegt eine Studie der Universität Bochum, die vom Kognitionspsychologen Lars Schwabe geleitet wurde. Sie besticht durch einen ebenso ungewöhnlichen wie überzeugenden Versuchsaufbau. Für den ersten Teil wurden die Probanden, es handelte sich um 80 junge Männer
und Frauen, in zwei Gruppen aufgeteilt. Die Mitglieder der ersten mussten eine Hand in eiskaltes Wasser tauchen, während ihre Mimik per Kamera aufgezeichnet wurde, und das alles auch noch unter den strengen Augen eines Versuchsleiters. Schmerzhafte Eiseskälte in Kombination mit einer autoritären Kontrolle à la George Orwell: So etwas kann man zweifelsohne als Stresssituation bezeichnen. Im Unterschied dazu mussten die Mitglieder der zweiten Gruppe ihre Hand lediglich in warmes Wasser halten, und es war auch niemand da, der sie beobachtete.
    Im zweiten Versuchsteil lernten alle Testpersonen, dass das Anklicken unterschiedlicher Symbole auf einem Bildschirm unterschiedliche Folgen hatte. Bei den einen bekamen sie über einen Schlauch Orangensaft oder Kakao in den Mund, bei den anderen lediglich Wasser, und weil die Probanden vorher drei Stunden lang gefastet hatten, kann man sich leicht vorstellen, dass sie ziemlich schnell lernten, bei welchen Bildern sie kulinarisch verwöhnt wurden.
    Nach dem ersten Durchgang wurden sie ermuntert, so viel von den Köstlichkeiten zu verzehren, wie sie nur konnten. Dann ging der Test in die nächste Runde, die Probanden konnten sich also wieder aus den Schläuchen verwöhnen lassen, nur dass sie jetzt ja keinen Appetit mehr hatten. Die Nichtgestressten unter ihnen zeigten daher keine rechte Neigung mehr, auf die richtigen Symbole zu klicken. Diejenigen jedoch, die vorher dem Eiswasser-Beobachtungs-Stress ausgesetzt waren, blieben ihrem erlernten Muster treu und klickten weiterhin auf die Kakao- oder Orangensaftsymbole, obwohl sie gar keinen Appetit mehr darauf verspürten. Sie hielten also an ihrer Gewohnheit fest, obwohl diese ihren Sinn verloren

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