Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens
»durchschnittlich« bis zu »praktisch nicht vorhanden« reichte. Ab 1968 erfasste man dann die Todesfälle der Probanden – und zwar bis zum Jahr 2003 –, die man mit dem damals gemessenen IQ und den Persönlichkeitsmerkmalen in Zusammenhang bringen konnte.
Die Ergebnisse waren eindeutig. Während sich Originalität und Selbstsicherheit, denen heute gemeinhin ein hoher Wert für die individuelle Entfaltung des Menschen zugeschrieben wird, überhaupt nicht niederschlugen, trugen Intelligenz und Zuverlässigkeit (mit Teilaspekten wie Gewissenhaftigkeit und Durchhaltevermögen) deutlich zur Erhöhung der Lebenserwartung bei.
Die Klugen und Zuverlässigen hatten also in dem Zeitraum zwischen 1968 bis 2003 eine deutlich niedrigere Sterbequote. Diese lag bei 9,9 Prozent, während die Probanden mit geringem IQ und hoher Unzuverlässigkeit auf beinahe das Dreifache kamen, nämlich 24,4 Prozent (siehe nebenstehende Abbildung). Die »Zwischenstufen« erzielten 17 Prozent (niedriger IQ und hohe Zuverlässigkeit) sowie 15,1 Prozent (hoher IQ und niedrige Zuverlässigkeit), was man möglicherweise als Hinweis darauf werten könnte, dass der IQ als Sterbeschutz etwas wichtiger ist. Doch dagegen spricht, dass der Zusammenhang von Zuverlässigkeit und Lebenserwartung eine größere Dosisabhängigkeit zeigt. Teilt man nämlich die Probanden in jeweils gleiche Untergruppen auf, so zeigt sich, dass das klügste und zuverlässigste Quartal am längsten und das nächste jeweilige Viertel etwas länger als der Durchschnitt lebt. Bei der unteren Hälfte hingegen macht es bei der Intelligenz keinen Unterschied, ob man sich im unteren oder zweituntersten Viertel befindet, während das bei der Zuverlässigkeit einen großen Einfluss hat.
Mit anderen Worten: Wer weniger IQ-Punkte sammelt, lebt kürzer, egal, ob er deutlich oder nur leicht unter Durchschnitt liegt. Bei der Zuverlässigkeit gibt es hingegen in der unteren Hälfte einen deutlichen Dosiszusammenhang: Mit jedem Punkt weiter nach unten steigt das Sterberisiko. Dieser Faktor wirkt also sehr empfindlich auf die Lebenserwartung, was für die unzuverlässigen Chaoten unter uns eher beunruhigend klingen mag. Doch andererseits heißt es auch, dass jeder kleine Punkt aufwärts in der Zuverlässigkeitsskala bereits einen Schritt in Richtung längeres Leben bedeutet. Es lohnt sich also, stets daran zu arbeiten.
Sterbefälle in Prozent, aufgeteilt nach Intelligenz und Verlässlichkeit
Niedrige Verlässlichkeit
Hohe Verlässlichkeit
Hoher IQ
15,1 %
9,9 %
Niedriger IQ
24,4 %
17,0 %
Insgesamt, so schließen die schottischen Forscher, haben unterdurchschnittlich kluge und zuverlässige Menschen ein mehr als doppelt so hohes Sterberisiko wie jemand, der überdurchschnittlich klug und zuverlässig ist.
Diese Zahl spricht eigentlich schon für sich selbst. Doch dem Forscherteam unter Ian Deary von der University of Edingburgh war das nicht genug. Man verglich, ob die Kombination aus Intelligenz und Verlässlichkeit die Lebenserwartung ähnlich stark beeinflusst wie das berüchtigte Teufelsduo aus Rauchen und erhöhtem Cholesterinspiegel. Sie fanden – keinen wirklich signifikanten Unterschied! Wenn also ein Arzt seinem Patienten rät, er solle weniger tierische Fette essen und endlich mit dem Rauchen aufhören, so kommt er damit seiner Fürsorgepflicht nur halbherzig nach. Denn eigentlich müsste er ihm noch raten, keine Nachmittagssendung im Fernsehen mehr zu schauen und stattdessen in einem Buch zu lesen – und außerdem noch auf Pünktlichkeit, Gewissenhaftigkeit und Konsequenz in seinem Alltag zu achten. Denn unzuverlässige Chaoten mit geringer Verstandeskraft werden genauso oft und früh vom Sensenmann besucht wie jemand, der täglich Blutwurst und eine Schachtel Zigaretten vertilgt.
Die Gründe für die lebensverlängernden Effekte der Zuverlässigkeit sind schnell aufgezählt. Denn Menschen mit dieser Eigenschaft achten mehr auf ihre Gesundheit, trinken
beispielsweise weniger Alkohol, und wenn sie sich zum Joggen verabreden oder beim Arzt einen Termin vereinbaren, werden sie auch dorthin gehen. Außerdem haben sie weniger Stress, was man am besten am Beispiel der Pünktlichkeit sieht. Denn wer ständig zu spät zu seinen Terminen losgeht, setzt sich nicht nur selbst unter Zeitdruck, sondern auch seine Mitmenschen, die daraufhin zornig oder zumindest genervt reagieren – und das bringt bekanntlich Ärger.
Der größte Effekt liegt aber möglicherweise in der inneren
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