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Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens

Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens

Titel: Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gütersloher Verlagshaus
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etwas wie Widerspruch von ihren Lippen gekommen ist. Aber wie man mit ihrem Charakter richtig alt werden kann, erscheint ihr mehr als zweifelhaft. »Und doch ist es so«, erklärt ihr Therapeut. »Was würden Sie sagen, welche Eigenschaften die Menschen aus Ihrer Umgebung besonders an Ihnen schätzen? Was etwa hat Ihr Abteilungsleiter das letzte Mal zu Ihnen gesagt?« »Dass man die Uhr nach mir stellen kann, mit welcher Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit ich meine Aufgaben erledige.« »Was sagte Ihre Mutter vor einigen Wochen zu Ihnen, als Sie bei ihr im Heim waren?« »Dass ich das einzige von ihren Kindern bin, das sie wirklich immer besuchen käme. Aber das war kein Kompliment. Sie hat mir sogar unterstellt, dass ich das nur wegen dem Erbe machen würde.« »Egal, wir reden ja jetzt auch nicht von Komplimenten. Im Gegenteil. Was hat Ihr Freund gesagt, als er mit Ihnen Schluss gemacht hat?« »Dass ich ihn mit meiner Fürsorge
erdrücken würde. Das war auch nicht gerade nett gemeint.« »Aber dann müssen wir es umso ernster nehmen. Wenn wir jetzt summa summarum alles zusammenzählen, müssen wir festhalten, dass die Menschen in Ihrer Umgebung vor allem eine Eigenschaft an Ihnen schätzen, oder auch nicht schätzen, weil es sie nervt: nämlich Ihre Zuverlässigkeit. Und die«, der Therapeut nimmt jetzt den Papierstapel in die Hand, um damit triumphierend in der Luft zu wedeln, »ist genau das, mit dem man uralt werden kann. Sie müssen nicht besonders glücklich sein und Sie müssen auch keine anderen glücklich machen, um alt zu werden. Aber wenn Sie in dem, was Sie tun, zuverlässig sind, und zwar so zuverlässig, dass man die Uhr nach Ihnen stellen kann, werden Sie neunzig oder hundert Jahre alt.« »Aber ich möchte lieber das Glück«, sagt Marie. »Ich möchte lieber mit sechzig Jahren glücklich sterben als mit hundert verbittert ins Gras beißen.« »Ja, ja, das sagen alle. Doch eigentlich wünschen sie sich weder das Eine noch das Andere, sondern dass sie glücklich und zufrieden hundert Jahre alt würden. Genau das aber, liebe Marie, schaffen Sie auch! Sie müssen nur begreifen, dass Sie sich nicht komplett verändern müssen, denn prinzipiell ist ja Ihre Zuverlässigkeit nichts Schlechtes. Ganz zu schweigen davon, dass man ein Charaktermerkmal niemals ganz ablegen kann. Sie müssen nur lernen, dass Sie für Ihre Zuverlässigkeit nicht sich selbst aufkündigen müssen, und dass man sie durchaus so dosieren kann, dass alle, und vor allem Sie selbst glücklich damit werden.«
    Bleibt festzuhalten, dass der Vorstoß von Maries Therapeutem seiner Patientin keinerlei Genesung garantiert. Möglicherweise wird sie in ihrer Zuverlässigkeit sogar noch zwanghafter werden, weil sie nun ja weiß, dass sie damit ihr Leben verlängern könnte. Wir wissen es nicht. Aber das Beispiel von Marie rückt erneut ein Charaktermerkmal in den Blickpunkt, das in seiner übermäßigen Ausprägung einen Krankheitswert erreicht, dann aber, wenn es den betreffenden Menschen stabilisiert, sein Leben verlängern kann. Wir hatten dieses
Phänomen schon bei anderen Charaktermerkmalen wie Beharrlichkeit und Sorge, und so finden wir es jetzt auch bei der Zuverlässigkeit: Im aufregenden Übermaß ist sie eine Belastung, doch vom langweiligen Prinzip her führt sie zu einem ebenso glücklichen wie langen Leben.
    Diverse wissenschaftliche Arbeiten liefern dazu eindrucksvolle Belege. Wie etwa die bereits zitierte »Termiten-Studie«, deren Autoren die Zuverlässigkeit sogar als »einen der Königswege zum langen Leben« geadelt haben. Eine repräsentative Untersuchung aus Schottland bestätigt diese Einschätzung. Grundlage ist hier ein IQ-Test vom Juni 1947, der an sämtlichen im Jahr 1936 geborenen Schulkindern durchgeführt wurde. Auf diese Weise ermittelte man die Intelligenzwerte von über 70.000 jungen Menschen, was als Datenpool geradezu ein Paradies für jeden ambitionierten Wissenschaftler ist! Eine Untergruppe von 1208 Kindern, die jeweils am ersten der geraden Monate (Februar, April etc.) geboren wurden, unterzog man einer detaillierten Persönlichkeitsanalyse über den Intelligenzgrad hinaus. So wurden sie als 14-Jährige von ihren Lehrern im Hinblick auf Merkmale wie »Strebsamkeit«, »Gewissenhaftigkeit«, »Durchhaltevermögen«, »Selbstsicherheit«, »emotionale Stabilität« und »Originalität« eingeschätzt. Als Orientierung diente den Pädagogen hier eine Fünf-Punkte Skala, die von »stark ausgeprägt« über

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