Lanzarote
sah Pam und Barbara nahe am Ufer, hüfttief im Wasser. Sie nah men einander huckepack, spritzten
sich gegenseitig nass, dann umarmten sie sich zärtlich, Brust an Brust; ein hinreißender Anblick. Ich fragte mich, wo Rudi wohl steckte.
Die beiden Deutschen kamen sich abtrocknen. Von nahem betrachtet wirkte Pam kleiner, fast wie ein Mädchen, mit ihren kurzen schwarzen Haaren; aber Barbaras tierhafte Ruhe war beeindruckend. Sie hatte wirklich schone Brüste; ich fragte mich, ob sie echt waren. Wahrscheinlich nicht, sie blieben ein bisschen zu aufgerichtet, wenn sie sich auf den Rücken legte; aber insgesamt wirkten sie sehr natürlich, sie hatte einen her vorragenden Chirurgen erwischt.
Wir unterhielten uns ein wenig über Sonnencremes, den Unterschied zwischen angegebenem und tatsächlichem Schutzfaktor: Durfte man der australischen Norm wirklich trauen? Pam las einen ins Deutsche übersetzten Roman von Marie Desplechin, was mir die Möglichkeit hätte geben kön nen, über literarische Themen Konversation zu machen; aber ich wusste nicht so genau, was ich zu Marie Desplechin sagen sollte, und vor allem war ich etwas besorgt, weil Rudi sich nicht blicken ließ. Barbara stützte sich auf die Ellbogen, um sich am Gespräch zu beteiligen. Ich konnte nicht anders, ich musste auf ihre Brüste sehen; ich merkte, dass ich einen Steifen bekam. Bedauerlicherweise sprach sie kein Wort Französisch. »You have very nice breasts«, sagte ich beiläufg. Sie lächelte breit und antwortete: »Thank you.« Sie hatte langes blondes Haar, blaue Augen, wirklich ein nettes Mädchen.
Ich stand auf und erklärte: «I must look at Rudi. See you la ter...«; wir verabschiedeten uns mit knappem Winken. Es war kurz nach fünfzehn Uhr, die Leute waren gerade mit dem Mit tagessen fertig. Als ich am schwarzen Brett vorbeikam, stellte ich fest, dass eine weitere Aktivität angeboten wurde. Über die klassischen Ausfüge in den Kakteengarten und den Parque National de Timanfaya hinaus bot das Hotel heute eine Fahrt im Gleitboot nach Fuerteventura an. Fuerteventura war die nächste Nachbarinsel, fach und sandig, landschaftlich ohne jeden Reiz; aber sie besaß ausgedehnte Strände, an denen man gefahrlos baden konnte, das hatte ich aus einer Informations broschüre, die in meinem Zimmer gelegen hatte. So ließ sich jedenfalls Rudis Ausbleiben erklaren; ich fühlte mich beruhigt, ging in mein Zimmer, CNN sehen. Ich sehe gern ohne Ton fern, es ist wie ein Aquarium, wie eine Vorbereitung zur Siesta, und dennoch schaut man leidlich interessiert hin. Diesmal aber fel es mir schwer, den aktuellen Krieg zu identifzieren. Diese Hanswurste, die mit ihren MPs über den Bildschirm zappelten, waren für Tschetschenen doch etwas zu dunkel. Ich versuchte, die Farbe neu einzustellen: Nein, sie blieben dunkel. Vielleicht Tamilen; bei den Tamilen war auch gerade was los. Eine Einblendung unten im Bild erinnerte mich daran, dass wir uns im Jahre 2000 waren; das war doch erstaunlich. Der Übergang vom Militär- zum Industriezeitalter, den der Be gründer des Positivismus schon 1830 angekündigt hatte, ging wirklich ausgesprochen
langsam vonstatten. Zugleich wirkte dank der Omnipräsenz der globalen Informationen die Zugehörigkeit der Menschheit zu einem gemeinsamen Schicksal und einem gemeinsamen Kalender immer erstaunlicher. Auch wenn er an und für sich keinerlei Bedeutung hätte, könnte der Jahrtausendwechsel vielleicht als self-fulflling prophecy stattfnden.
Ein Elefant tapste durchs Bild und bestätigte die Tamilen These; obwohl es sich natürlich auch um Birmanen handeln könnte. Trotz allem bewegten wir uns rasch auf die Idee einer weltweiten, von den USA dominierten Föderation mit Eng lisch als gemeinsamer Sprache hin. Natürlich hatte die Aus sicht, von Arschlöchern regiert zu werden, etwas irgendwie Unerfreuliches; obwohl, das erste Mal wäre es ja nicht. Nach den Zeugnissen zu urteilen, die sie hinterlassen haben, waren die alten Römer eine Nation von Idioten; das hatte sie nicht daran gehindert, Judäa und Griechenland zu kolonisieren. Dann waren die Barbaren gekommen usw. Diese Vorstellung der ewigen Wiederholung war bedrückend; ich schaltete auf MTV um. MTV ohne Ton ist absolut erträglich; sogar ziem lich nett, all diese Tussen, die in knappen Oberteilen herum zappeln. Irgendwann holte ich meinen Schwanz raus und wichste zu einem Rap-Clip, dann schlief ich etwas länger als zwei Stunden.
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U m achtzehn Uhr dreißig ging ich in die Bar
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