Lanze und Rose
nicht zu fest durchgriff. Du hast immer noch nicht begriffen, dass ich das mit Absicht getan habe, um dir das Leben zu vergällen, oder?«
Liam verzog das Gesicht, dann räusperte er sich und sah seinen Bruder an.
»Du hättest zusammen mit Munro und Will Macgregor nach Amerika gehen sollen, wie du es vorhattest.«
»Ich weiß, aber ich konnte es nicht. Wie du eben so schön gesagt hast, war ich zu feige dazu … Und dann ist Maureen gekommen. Ich habe geglaubt, dass endlich … Nur …«
»Nur, dass du es vorgezogen hast, das Beste, was dir seit Jahren geschehen war, zu zerstören. Zuvor hattest du es niemals geschafft, eine Frau länger als zwei Monate zu halten«, unterbrach ihn Liam, den jahrelang unterdrückte Wut und Enttäuschung zu ersticken begannen. »Wenn du damals so zornig auf mich warst, warum hast du es an ihr ausgelassen? Warum musste sie leiden?«
Colins Miene verschloss sich. Er wandte den Blick ab und zog die Mundwinkel herunter.
»Ich … ich weiß es nicht. Ich schwöre dir, dass ich ihr nicht wehtun wollte, aber ich wusste nicht, wie ich ihr sagen sollte …«
Er stieß ein Stöhnen aus und stützte den Kopf in die Hände.
»Ich konnte sie einfach nicht lieben, Liam… Nicht so, wie sie es verdient gehabt hätte! Mein ganzes Leben lang habe ich vergeblich nach dem Unmöglichen gesucht. Ich wollte die Frau finden, die ich niemals besitzen konnte.«
»Hast du vor, mir mein ganzes Leben lang vorzuwerfen, dass ich Caitlin geheiratet habe?«, brüllte Liam und baute sich vor ihm auf.
»Du hast sie mir weggenommen!«, schrie sein Bruder und fiel
auf die Knie. »Ich habe sie geliebt, ich habe sie begehrt, Herrgott noch einmal! Und du hast sie mir vor der Nase weggeschnappt, einfach so!«
»Sie war nicht für dich bestimmt!«, gab Liam heftig zurück.
Er wollte den Rest nicht hören. Mit einer Mischung aus Zorn und Mitleid sah er auf seinen Bruder hinunter, der vor ihm kauerte. Colins Liebe zu seiner Frau war zur Besessenheit geworden und vergiftete ihre Beziehung.
Jeder hatte die eigenartige Ähnlichkeit zwischen Caitlin und den Frauen, die sich in Colins Leben abgewechselt hatten, bemerkt. Manchmal war es das üppige, tiefschwarze Haar gewesen; dann wieder die meergrünen Augen; aber alle hatten einen Zug besessen, der an Caitlin erinnerte. Maureen Maclean war diejenige gewesen, die seiner Frau am ähnlichsten gewesen war, sowohl äußerlich als auch von ihrem Wesen her. Aber diese Frauen waren nur vorübergehende Launen gewesen; sie dienten nur dazu, sein Bett zu wärmen und sein Unglück zu betäuben.
»Ich habe dir nichts weggenommen, das dir gehört hätte. Caitlin hat ihre Wahl getroffen.«
»Ich weiß …«, gestand Colin mit rauer Stimme.
Er griff nach seiner Flasche und überlegte es sich dann brummend anders.
»Warum rührst du dann jetzt alles wieder auf?«
Mühsam rappelte sich Colin auf die Beine.
»Weil es sein muss! Immer, wenn ich das Thema angeschnitten habe, hast du versucht, mir auszuweichen. Ich habe genug davon …«
Seine Miene wirkte geschlagen. Er zögerte einen Moment und schloss die Augen, ehe er weitersprach.
»Außerdem bin ich es mehr als überdrüssig, dich zu hassen. Du kannst dir nicht vorstellen …«
Er stieß einen merkwürdigen Laut aus und fuhr sich dann mit den Fingern durch das blonde Haar, das in den letzten Sonnenstrahlen aufleuchtete.
»Du kannst dir nicht vorstellen, wie es ist, jemanden zu hassen, den man liebt. Das ist ein Schmerz, der einen nach und nach umbringt. Man fühlt sich wie von innen ausgehöhlt, man spürt,
wie sich eine große Leere ausbreitet, und schließlich hasst man sich selbst.«
Seine Stimme zitterte, so sehr versuchte er sich zu beherrschen. Dann hielt er es nicht mehr aus, griff nach der Flasche, nahm zwei tiefe Züge und fuhr fort.
»An jenem Tag, an dem du sie praktisch unter meinen Augen genommen hast, in der alten Hütte in der Nähe von Methven … Hast du vielleicht geglaubt, ich wüsste nicht, was da vor sich ging? Gott verdammt! Und Simon und Donald, die sich in ihren Spekulationen darüber ergingen, warum ihr so lange braucht… In diesem Moment wäre ich am liebsten in die Hütte gestürmt und hätte euch beide mit meinem Schwert durchbohrt.«
Er atmete schwer. Sein Gesicht war bleich, und seine Augen blitzten vor Hass. Eine Brise kam auf und trug den ohrenbetäubenden Lärm aus dem Lager heran. Liam erschauerte. Er vermochte den Blick nicht von dem Mann abzuwenden, der vor ihm stand und ihm den
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