Lanze und Rose
die Beziehungen zwischen den Männern, die dem Alkohol zusprachen und sich ständig in die Haare gerieten.
In der benachbarten Gruppe war der Ton um einiges lauter geworden, doch Liam achtete nicht darauf. Er beobachtete Ranald, der sich in einem angeregten Disput mit Duncan und dem jungen Robin Macdonnell erging. Er machte sich Sorgen um ihn. Obwohl er sich große Mühe gab, gelang es seinem Sohn nicht, die Schmerzen zu verbergen, die ihn seit mehr als einer Woche quälten. Der Zustand seines Rückens hatte sich verschlechtert. Die Nächte, in denen sie auf der Heide, auf dem eiskalten Boden schliefen, und die langen Tagesmärsche zeigten ihre Wirkung. Aber Ranald war genauso starrköpfig wie seine Mutter. Er würde kämpfen wie alle anderen, und jeglicher Versuch, ihn davon abzubringen, war zum Scheitern verurteilt.
Ranald, gerade eben achtzehn geworden, war jetzt ein Mann, und Liam konnte ihn nicht zwingen, im Lager zu bleiben, während die anderen sich für ihren König schlugen. Nein, das würde gegen alles verstoßen, was er ihn und seinen Bruder gelehrt hatte. Die Ehre stand höher als ihr eigenes Leben. Sangen nicht die Barden das Lob der im Kampf gefallenen Helden und überlieferten
ihre Taten der Nachwelt? Er hatte nicht das Recht, seinem Sohn das Erlebnis des Kampfes vorzuenthalten; so hatte sein eigener Vater gegenüber Colin gehandelt, 1689 in Killiecrankie.
Colin, der damals ebenfalls achtzehn gewesen war, hatte ihm nie verziehen, dass er es ihm verwehrt hatte, an der ruhmreichen Schlacht, die mit einem strahlenden Sieg geendet hatte, teilzunehmen. Liam allerdings wusste, dass dieses Erlebnis das Leben seiner Söhne unwiderruflich verändern würde. Nach der Schlacht würden sie nie wieder ganz dieselben sein. Das wusste er, weil er es selbst erlebt hatte. Alles, was seine Söhne bisher gesehen hatten, waren bloße Scharmützel mit Männern aus feindlichen Clans gewesen, ohne größere Folgen … Doch der Krieg war ein richtiges Gemetzel. Ihm schien das jetzt lange her zu sein, und immer noch hallte der Schlachtenlärm in seinen Gedanken wider und machte, dass es ihm kalt über den Rücken lief.
Duncan hatte ihn bereits gebeten, ihm von der vernichtenden Niederlage der Sassanachs im Jahre 1689 zu erzählen. Doch er sprach nicht gern darüber und ließ sich nicht mehr als ein paar Brocken entlocken. Andere allerdings ergingen sich mit Freude in solchen Erzählungen und schilderten die kleinsten Details des Massakers an diesen jungen Soldaten, von denen die meisten noch nie die Waffen mit dem Feind gekreuzt hatten. Caitlin hatte er ein einziges Mal von der blutigen Schlacht erzählt. Das war kurz vor ihrer Heirat gewesen. Und dann hatte er nie wieder ein Wort darüber verloren.
Liams Miene verdüsterte sich. Er trank noch einen Schluck Bier. Die Sassanachs , die er damals niedergemetzelt hatte, waren größtenteils so alt gewesen wie seine Söhne heute. Wie würde es dieses Mal sein? Argyles Armee war ihnen ganz offensichtlich zahlenmäßig unterlegen. Doch wie viele Männer besaß sie genau? Er hatte gehört, es seien zwischen drei- und viertausend Soldaten. Aber das waren Berufssoldaten, die weit besser ausgebildet und bewaffnet waren als die meisten Highlander. Letztere waren einfache Bauern und Viehhirten, die nur mit ihrem Siegesdurst und ihren rostigen Schwertern bewaffnet
waren. Im Angesicht einer Kanonenmündung reichte das nicht immer aus.
Neben ihnen setzte sich die laute Debatte fort. Liam wandte sich um und beobachtete im Zwielicht der Abenddämmerung zerstreut die Gruppe. Es waren Männer aus dem Clan der Maclean. Hugh Maclean schien dabei zu sein, eine Meinungsverschiedenheit mit jemand anderem zu regeln.
»Da wird gleich Blut fließen«, sagte Simon und stieß Angus mit dem Ellbogen in die Rippen.
»Ja, Colin steckt in Schwierigkeiten. Ich hatte schon befürchtet, dass es eines Tages so weit kommen würde.«
»Colin?«, stieß Liam hervor. »Du meinst, dass es mein Bruder ist, mit dem Maclean da streitet?«
Die beiden Männer tauschten einen verblüfften Blick aus.
»Ja, natürlich!«, meinte Simon und zuckte die Achseln. »Du warst wohl in Gedanken ganz woanders, was, mein Alter? Die beiden brüllen einander gewiss schon eine halbe Stunde an.«
Liam schüttelte den Kopf. Er vernahm ein dumpfes Geräusch, und dann sah er, wie Hugh sich krümmte und versuchte, wieder zu Atem zu kommen.
»Herrgott noch einmal, was stellt er denn jetzt schon wieder an?«
Eilig stand er auf, und
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