Lanze und Rose
Dolches, dass sie schmerzten.
»Nie mehr. Ich hatte ihr gelobt, sie nie wieder zu belästigen, sobald sie deine Frau war, und ich habe mein Versprechen gehalten.«
Ihre Blicke begegneten sich.
»Ich liebe Caitlin, Liam. Aber du bist mein Bruder, und ich liebe dich ebenfalls. Niemals wäre ich in der Lage gewesen, einen solchen Verrat an dir zu begehen. Das ist es ja, was mich umbringt.«
Er stieß ein zynisches Auflachen hervor und ließ seine Schultern kreisen.
»Sonst wäre das alles viel einfacher gewesen.«
Er lächelte schwach, und in der einbrechenden Dunkelheit leuchteten seine Zähne auf.
»Du, Caitlin, Sàra und die Kinder, ihr seid das Kostbarste, was ich auf dieser elenden Welt besitze, Liam. Ich würde mein Leben für euch hergeben … Falls es denn noch etwas wert ist«, setzte er nach kurzem Zögern ironisch hinzu. »Deswegen habe ich beschlossen, dass ich fortgehe. Ich habe euch schon genug wehgetan. Ich werde nicht zurückkommen.«
Er holte tief Luft, um sein von Alkoholdünsten gesättigtes Hirn durchzulüften, und setzte eine bitter-süße Miene auf.
»Allerdings kann ich mich einfach nicht an den Gedanken gewöhnen«, setzte er leise hinzu, »dass meine Gebeine nicht auf Eilean Munde 19 ruhen werden.«
Liam warf Colin einen verblüfften Blick zu und streckte ihm
dann eine Hand entgegen, als ihm der Sinn seiner Worte klar wurde.
»Deine Seele wird immer in Schottland wohnen, mein Bruder.«
Fest griff Colin nach der dargebotenen großen Hand und erhob sich. Dann, plötzlich, sah er auf einen Punkt hinter Liam, erstarrte und stieß eine Art Stöhnen aus. Liam wandte sich um. Ein paar Schritte weiter, in Hörweite, entdeckte er Duncan, der von den kahlen Ästen der Büsche nur halb verborgen wurde.
»Wie lange bist du schon dort, Sohn?«, fragte Liam mit ausdrucksloser Stimme.
Langsam verließ der junge Mann sein Versteck und warf seinem Onkel einen undeutbaren Blick zu.
»Zu lange, fürchte ich.«
»Ah!«, versetzte Liam bestürzt.
Colin räusperte sich und wich dem vorwurfsvollen Blick seines Neffen aus.
»Ich gehe ins Lager zurück«, stotterte er. »Morgen marschieren wir gegen Dunblane, und ich will mich ausruhen.«
»Was genau hast du gehört?«, fragte Liam, nachdem Colin verschwunden war.
»Beinahe alles.«
»Nun gut.«
Was gab es dazu noch zu sagen? Liam zog seinen Wetzstein hervor und legte ihn zu seinen Füßen ins Gras, damit er die Feuchtigkeit aufnahm.
»Ich bin euch vom Lager aus gefolgt. Ich wollte mit dir über … Es tut mir leid. Ich hatte nicht vor, euch zu belauschen, aber… dann habe ich eure wütenden Stimmen gehört und bin geblieben. Vater! Ich hatte gedacht, Colin hätte endlich eingesehen, dass Mutter deine Frau ist und dass … Das ist vollkommen lächerlich! Seitdem sind zwanzig Jahre vergangen.«
Aufgewühlt wrang er sein Barett zwischen den Fingern.
»Ich weiß.«
»Er hat zugegeben, dass er die ganzen Jahre versucht hat, dich dafür büßen zu lassen. Bist du ihm deswegen böse?«
»Ja und nein. Das alles geht in meinem Kopf noch viel zu sehr
durcheinander. Auf gewisse Weise kann ich es ihm nicht übelnehmen. Alles in allem hat er sein eigenes Leben vergeudet, nicht meines. Und außerdem ist Colin schon immer unbekümmert und wagemutig gewesen. Auch wenn die Situation anders gewesen wäre, hätte er zweifellos dieselben Dummheiten angestellt.«
»Aber so ist es nicht.«
»Das ist wahr. Ich habe immer gewusst, dass Colin deine Mutter liebt, Duncan. Wie du weißt, hat er auch nie einen Hehl daraus gemacht. Aber ich habe es vorgezogen, es nicht zu sehen. Er hat sich mit Leuten aus dem Clan der Macgregors zusammengetan, die als gebrochene Männer auf der Ebene von Rannoch Moor lebten. Oft ist er wochenlang verschwunden. Ich schäme mich, es zu sagen, aber mir kam das gut zupass und hat mir das Leben erleichtert. Das währte allerdings nicht lange. Danach wurde alles nur noch schlimmer. Zu der Gruppe gehörte ein gewisser Dugal Ban MacKellar. An diesen Mann erinnere ich mich sehr gut! Niemand wird jemals MacKellar vergessen!«, schmunzelte Liam kopfschüttelnd.
Er hob seinen Stein auf, setzte sich im Schneidersitz auf den kalten Boden und legte ihn in die Falten seines Kilts. Dann begann er mit langsamen Bewegungen seinen Dolch zu schärfen.
»MacKellar«, fuhr er fort, ohne den Blick von dem schimmernden Metall zu heben, »stank zehn Meilen gegen den Wind. Ich habe nie begriffen, wie er es fertigbrachte, die armen Reisenden, die er ausraubte,
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