Lanze und Rose
sie dort nach kompromittierenden Briefen suchte. Der Earl of Breadalbane hoffte, etwas zu finden, mit dessen Hilfe er den Duke of Argyle in Misskredit bringen konnte, falls die Jakobiten eine Niederlage erlitten. Wenn er nicht selbst das Herzogtum erhalten konnte, das er stets begehrt hatte und durch das er zum Oberhaupt des Macdiarmid-Clans der Campbells würde, dann hätte er zumindest die Genugtuung, dass Argyle seinen Besitz verlor. Doch dafür brauchte er Beweise, dass der Duke dem Haus Hannover nicht loyal gegenüberstand, und die waren nicht so einfach zu finden.
Der alte Mann hatte darüber nachgedacht, ein Komplott zu schmieden, um Argyle der Majestätsbeleidigung zu bezichtigen. Sein Vorbild war dabei die Geschichte des Duke of Marlborough zur Zeit Williams III. gewesen. Der unglückliche Earl war mit sechs Wochen im Tower von London davongekommen; doch sein Ruf war unwiederbringlich geschädigt gewesen. Schließlich hatte man den Mann als Doppelagenten angeklagt, und er war in Ungnade gefallen. Breadalbane hegte den starken Verdacht, dass Argyle in diese Geschichte verwickelt gewesen war. Die Idee war gut gewesen. Doch er hatte sich gezwungen gesehen, sie aufzugeben, als man seinen Feind zum Generalissimus der Regierungsarmee ernannt hatte. Er musste etwas anderes finden. Vielleicht eine Korrespondenz mit einem jakobitischen Anführer?
Marion hatte der alte Fuchs bei einem Besuch mit ihrem Vater vor einigen Monaten als seine Spionin gewinnen können. Sie hatte ein Gespräch zwischen ihm und ihrem Vater mitangehört. Der Laird war gekommen, weil er einen Vorschuss von ihm erbitten wollte, um die seit über einem Jahr fällige Pacht zu bezahlen, und sie hatte ihn begleitet, wie sie es gelegentlich tat, denn anschließend musste er sich in geschäftlichen Angelegenheiten nach Edinburgh begeben.
Das Gespräch zwischen den beiden Männern hatte in einem kleinen, mit blühenden Rosen bewachsenen Laubengang stattgefunden. Doch sie waren zwar den Blicken entzogen gewesen, aber durchaus zu hören. Breadalbane hatte Glenlyon seine Absichten bezüglich Argyles Titel und Ländereien unterbreitet. Wenn es dem Prätendenten gelang, den Thron zu besteigen, konnte sein Traum Wirklichkeit werden. Doch offensichtlich konnte er dies nicht allein vollbringen. Aber wenn John Buidhe 21 ihm half, den Duke in Ungnade fallen zu lassen, dann könnte er vielleicht die Schulden, die der alte Trunkenbold Robert angehäuft hatte, beträchtlich verringern.
Niemals! Nein, niemals würde der Laird von Glenlyon sich dazu erniedrigen, auf eine solche Erpressung einzugehen, ganz
gleich, wie hoch der Preis dafür sein sollte! Marion hörte noch immer die empörten Ausrufe ihres Vaters. Die Ehre eines Mannes stand nicht zum Verkauf, so hoch seine Schulden auch sein mochten! Für den Moment hatte die junge Frau nichts dazu gesagt. Doch einige Tage später war sie auf Chesthill ihrer Gouvernante entwischt und nach Finlarig Castle galoppiert. Zu Beginn hatte Breadalbane ihr Angebot abgelehnt, doch angesichts der Kühnheit, die sie an den Tag legte, hatte er es sich rasch anders überlegt. Warum nicht? Was hatte er zu verlieren? Außerdem, wer würde einer unschuldigen jungen Frau misstrauen? Obwohl er genau wusste, dass sie alles andere als harmlos war. Schließlich floss in ihren Adern das gleiche Blut wie in seinen. Ihr Vater brauchte verzweifelt Geld, doch sein Stolz hatte ihn bewogen, das verlockende Angebot des Earl auszuschlagen.
Und so hatte er Marion einige kleine Geheimaufträge in Inveraray anvertraut. Sie war in ihrer dritten Mission unterwegs gewesen, als die Macdonalds sie bei dem Versuch, ein Pferd zu stehlen, aufgegriffen hatten.
Mit finsterem Blick betrachtete sie den alten Earl, der jetzt die faltigen Augenlider über den verbrauchten Augen geschlossen hatte. Sie mochte diesen Mann nicht, er flößte ihr eher Verachtung ein. Wie weit würde er noch gehen, um den Machthunger zu stillen, der sein ganzes Leben lang sein Verhalten bestimmt hatte? Sicherlich, Breadalbane war ein äußerst intelligenter Mann. Dank seiner Schläue und nach jahrelanger Arbeit war es ihm gelungen, sich der schweren Last der Schulden, die seine Vorfahren im Laufe von Generationen angehäuft hatten, zu entledigen. Sein Vater, der zehnte Laird von Breadalbane, hatte es vorgezogen, seine Kraft bei seinen Ehefrauen zu vergeuden, die er unerhört schnell gewechselt hatte. Er hatte sechsundzwanzig legitime Kinder gezeugt, was zur Folge hatte, dass die
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