Lanze und Rose
Mannes erstarrte, und er presste die Lippen so fest zusammen, dass sie wie ein schmaler weißer Strich wirkten. Marion gestattete sich ein verhaltenes Lächeln.
»Hat Euch nicht Euer ältester Sohn aus diesem Grunde den Rücken gekehrt?«
»Mein Sohn Duncan war nichts als ein Schwachkopf«, gab Breadalbane mit vorgetäuschter Gelassenheit zurück. »Er hätte meinen Sitz im Oberhaus geerbt, und es war seine Pflicht, seinen Rang zu achten. Ich konnte nicht zulassen, dass er die Tochter eines einfachen Pächters heiratete.«
Seine Finger krallten sich so fest um den fein gearbeiteten silbernen Knauf seines Stocks, dass seine Knöchel weiß wirkten, und sein Blick war leer.
»Er ist dennoch mit seiner Marjorie fortgegangen. Ihr habt ihn enterbt, weil er sich Euch nicht unterwerfen wollte.«
»Mein Sohn hatte Verpflichtungen gegenüber seinem Clan. Eines Tages wäre er Earl geworden.«
»Er hätte seine Pflichten erfüllt, wenn Ihr ihm die Möglichkeit dazu gelassen hättet«, fuhr sie fort und sah ihn herausfordernd an. »Was Euch an ihm gestört hat, war in Wahrheit sein unabhängiger Geist. Ihr konntet es einfach nicht hinnehmen, dass er anders dachte als Ihr. Ihr wart ganz einfach außer Euch, weil er sich nicht an Euch gewandt hat, um Euren Rat zu erbitten.«
Der Earl fixierte sie eisig; doch dann wandte er den Blick ab, als hätte ihn die scharfe Wahrnehmungsgabe der jungen Frau verunsichert. Seine verkniffenen Lippen entspannten sich und verzogen sich zu einem leisen Lächeln.
»Ihr habt Mumm, wisst Ihr. Zu schade, dass Ihr nur eine Frau seid, denn Ihr hättet einen ausgezeichneten Laird abgegeben.«
»Das bezweifle ich. Mich hättet Ihr nicht nach Belieben lenken können, wie Ihr es mit meinem Großvater getan habt. Nur gut, dass wenigstens mein Vater Euch zu schaffen macht…«
Marions Kehle schnürte sich zu. Die junge Frau schluckte mühsam. In ihrer Kühnheit war sie zu weit gegangen. Der Earl war ein mächtiger Mann, und ihr Vater war arm, ruiniert und ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert…
»Wie dem auch sei, Ihr werdet morgen abreisen. Ich werde meine Entscheidung nicht zurücknehmen«, erklärte der Alte. »Der Earl of Strathmore ist ein wohlhabender Mann. Ich hätte mich auch weniger wohlwollend zeigen und euch einem viel älteren Witwer geben können, um ein interessantes Bündnis zu festigen. Doch ich habe darauf verzichtet, als Anerkennung für den Mut, den Ihr bewiesen habt, um Eurem Vater und Eurem Clan zu helfen.«
Aus dem Flur ließ sich ein Knarren vernehmen, dann gedämpfte Stimmen. Jemand pochte zögerlich an die Tür und unterbrach den alten Earl, der sich mit sichtlichem Missvergnügen der Quelle der Störung zuwandte.
»Was gibt es?«
Die Tür öffnete sich einen Spaltbreit, und ein Lakai steckte schüchtern die Nase herein.
»Was gibt es?«, fragte Breadalbane noch einmal.
Ängstlich trat der Bursche ein, neigte seine Perücke und rieb sich nervös seine weiß behandschuhten Hände hinter dem Rücken.
»Der Earl of Mar und Lord Drummond wünschen vor ihrer Abreise mit Euch zu sprechen, Sir.«
»Führt sie herein! Los doch!«, befahl Breadalbane und wedelte mit der Hand, dass seine Spitzenmanschetten flogen. »Mit Mistress Campbell bin ich hier ohnehin fertig.«
Die Tür öffnete sich weit, und ein elegant in Blau und Grau gekleideter Mann trat ein, gefolgt von zwei weiteren Gentlemen. Der erste verneigte sich vor Marion, ergriff ihre Hand und führte sie an die Lippen.
»Habe die Ehre, Madam. Ich bedaure, Eure Unterhaltung mit unserem teuren Breadalbane unterbrechen zu müssen, doch wir müssen ohne Verzug das Schloss verlassen, um zu unseren tapferen Kriegern zu stoßen …«
»Schon wieder?«, fragte Breadalbane.
Der Earl of Mar sah den Alten aus seinen leicht schräg stehenden Augen an.
»Man ist uns in Dunblane zuvorgekommen. Der Duke of Argyle muss von unseren Plänen erfahren haben und hat dort heute Morgen seine Zelte aufgeschlagen. Unsere Strategie, ihn zu den Brücken, die über den Forth führen, zu locken und dann von hinten anzugreifen, hat sich damit erledigt. Gerade eben habe ich die Bestätigung durch einen Expresskurier erhalten, den General Hamilton geschickt hat. Hamilton erwartet meine Befehle in Ardoch, auf der Ebene, die sich in der Nähe der römischen Ruinen befindet.«
»Und wo stehen General Gordons Männer?«
»Sie sind Hamilton eine oder zwei Meilen voraus. Ich habe ihm bereits einen ersten Befehl geschickt, in dem ich ihn
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