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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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heiraten braucht!«
    »Wirst du dich denn niemals ändern? Immer bereit, ein verletzendes Wort auszusprechen.«
    Sie schlug ihn mit der Faust heftig auf die Brust.
    »Was ist eigentlich da drinnen? Besitzt du kein Herz?«
    »Schön, schon gut«, rief er aus und erhob die Arme zum Zeichen, dass er kapitulierte. »Aber ich weise dich darauf hin, dass du dich ebenso gut darauf verstehst, andere mit Worten zu verletzen.«
    »Ich bin eben bei dir in eine gute Schule gegangen!«
    John rieb sich die Augen und schloss dann seinen Ranzen.
    »Ich würde dir gern helfen, Marion, aber …«

    »Das Leben mehrerer Männer hängt davon ab, dass dieses Dokument in Sicherheit gebracht wird«, stieß sie hastig hervor.
    Ihr Bruder starrte sie sprachlos an. Sie biss sich auf die Lippen. Die Worte waren ihr ohne ihr Zutun entschlüpft. Rasch warf sie einen Blick in die Runde, um sich zu vergewissern, dass sie allein waren. Dieses Geheimnis hätte sie nicht verraten dürfen. Aber er hatte sie zum Äußersten getrieben, und …
    »Was meinst du damit?«
    »Ich … ich kann dir nicht mehr darüber sagen.«
    »Marion«, begann er und fasste sie an den Schultern, »du verlangst von mir, am Vorabend der Schlacht einen langen Hin- und Rückweg bis nach Breadalbane zurückzulegen, um ein Dokument zu überbringen, dessen Inhalt ich nicht kenne, von dem du mir aber sagst, dass es das Leben von Menschen in Gefahr bringen kann? Das ist ja wohl eine Dreistigkeit! Soll ich mein eigenes Leben aufs Spiel setzen? Du musst mir verraten, was dieser Umschlag enthält.«
    »Ich darf dir nichts sagen, John, es ist geheim …«
    Abrupt gab er sie frei, dann rieb er sich nachdenklich das Kinn und richtete den Blick in die Ferne.
    »Hör mir zu, Marion. Ich möchte dir schon helfen, doch ich muss wissen, was in diesem Dokument steht. Ich will mich nicht in eine Sache verwickeln lassen, deren Folgen katastrophal sein könnten.«
    In dem kleinen Zimmer, in dem John sich ein paar Stunden ausgeruht hatte, bevor er wieder ins Lager aufbrechen musste, begann es dunkel zu werden. Der junge Mann war direkt aus Glenlyon gekommen, wohin sein Vater ihn geschickt hatte, um eine Angelegenheit zu regeln, die nicht warten konnte. Marion sah diesen Bruder an, dessen Charakter sie nie recht hatte ergründen können. Er war schweigsam, gab wenig von sich preis und war ihr immer ein Rätsel geblieben. Was für einen Laird würde dieser Mann, der verschlossen wie eine Auster war, eines Tages abgeben? Würde er ein offenes Ohr für seine Leute haben?
    John hatte sehr wenige Freunde. Die meiste Zeit sperrte er sich mit einem Buch oder irgendeinem kleinen Tier, das er zu seiner Unterhaltung sezierte, in seinem Zimmer ein. Er hatte niemals
seine Verbitterung darüber verborgen, dass sein Vater es ihm abgeschlagen hatte, Medizin zu studieren. Dazu war einfach kein Geld da. Eines Tages würde er Laird sein, und damit hatte er sich zu bescheiden. Das Beste für ihn wäre, eine militärische Laufbahn einzuschlagen. Das Prestige, das die Uniform verlieh, war nicht zu verachten.
    Nunmehr einundzwanzig Jahre alt, war er mit seinem dichten, rotbraunen Haar und seinen strahlend blauen Augen ein sehr ansehnlicher Bursche. Die jungen Frauen des Clans umschwärmten ihn, doch er tat, als bemerke er sie nicht. Natürlich hatte Marion ihn ein- oder zweimal zwischen zwei Heuballen mit einem dieser charmanten Wesen ertappt, doch nichts weiter. Manchmal fragte sie sich, ob das Herz, das in seiner Brust schlug, noch zu etwas anderem diente als dazu, das Blut durch seine Adern zu pumpen.
    Kurz zweifelte Marion daran, ob sie ihm wirklich vertrauen konnte. Dann überlegte sie, dass sie auf keinen Fall die Loyalität ihres Bruders gegenüber seinem Clan in Frage stellen durfte. Sie musste ihm die Wahrheit sagen. Schließlich brauchte er das Dokument nur nach Finlarig zu bringen und zurückzukehren. Sie selbst konnte einfach nicht fort. Nicht jetzt.
    »Der Earl of Mar hat Breadalbane dieses Dokument übergeben, damit er es an einem sicheren Ort aufbewahrt. Es ist… die Namensliste der jakobitischen Anführer, die an der Rebellion teilnehmen …«
    Einige Sekunden lang stand John vollständig sprachlos da. Sie meinte, ein seltsames Aufleuchten in seinen Augen wahrzunehmen, doch er wandte den Blick ab und sah ins Feuer.
    »Und er hat dir dieses Dokument anvertraut?«, fragte er und trat an den Kamin.
    »Er vertraut mir.«
    Reglos, mit starrem Blick, stand John da und streckte die Arme aus, um die Wärme des

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