Lanze und Rose
Korrespondenz anzunehmen. Sobald ich kann, werde ich ihm einen Kurier schicken, der ihm, je nach Ausgang der Schlacht, meine Instruktionen übermittelt, was er damit anfangen soll.«
Wie sollte sie sich dieses misslichen Auftrages entledigen? Sie nahm das Schreiben und warf einen finsteren Blick darauf, was den Earl zu amüsieren schien. Dann kehrte sie an ihr Fenster zurück und hörte mit halbem Ohr zu, wie der alte Mann davon schwafelte, wie wichtig Ehre und Pflichtgefühl für die Tochter eines Laird seien, und dass der Platz einer Frau bei ihrem Gatten sei.
Ihr Blick verlor sich in der Ferne, weit jenseits der Bäume und Hügel von Strathearn. Wie konnte sie sich aus dieser Lage befreien ? Das Dokument komplizierte die Angelegenheit nicht unerheblich.
»Dann versteht Ihr sicherlich, warum wir manchmal gewisse Opfer bringen müssen …«
»Hmmm …«, meinte sie zustimmend. Ihre Miene wirkte abwesend.
Sollte sie sich jemanden suchen, der an ihrer Stelle nach Finlarig ritt? Aber wen? Sie hauchte auf das Glas, das sich beschlug, und zeichnete eine kleine Wolke hinein, die sie mit einem Kopf und dann mit Füßen versah. Und wenn sie noch ein paar Tage wartete, bevor sie aufbrach … Bis nach der Schlacht? … Hmmm, nein, zu gefährlich. Einige Augenblicke lang betrachtete sie ihr Werk und beschloss, noch ein Schwänzchen und Ohren hinzuzufügen.
»Ich dachte, März oder April wären ein guter Zeitpunkt …«
Sie nickte fügsam, wischte ihr Schäfchen weg und betrachtete dann ihr Spiegelbild, das vor der schlafenden Landschaft stand.
»Genau die richtige Zeit, um das Aufgebot bekannt zu machen …«
»Das Aufgebot? Wer soll es bekannt machen, und was für ein Aufgebot überhaupt?«
»John natürlich, wer sonst? Und Euer beider Aufgebot!«
»John? …«, murmelte sie, als eine Idee in ihr aufstieg. »Ja, sicher, John!«, rief sie aus und fuhr zu dem Earl herum, der sie perplex ansah.
»Habt Ihr mir überhaupt zugehört, Marion?«
»Selbstverständlich«, log sie schamlos und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Ich muss meine Sachen packen, wenn Ihr nichts dagegen habt …«
Sie nahm eine starre Haltung ein, die ihre Unzufriedenheit ausdrücken sollte.
»Ich versichere Euch, dass ich Euer Dokument in Sicherheit bringe, Sir.«
Zweifelnd schob Breadalbane eine Lippe vor und seufzte.
»Ich zähle auf Euch, meine Liebe.«
In einem Wirbel aus wilden Locken und fliegenden Röcken fuhr sie herum und rannte aus dem Zimmer. Aber natürlich! Warum hatte sie nicht eher daran gedacht? Ihr Bruder würde das Dokument an ihrer Stelle überbringen. Wem sollte sie sonst vertrauen, wenn nicht jemandem, der vom selben Fleisch und Blut war wie sie? Hoffentlich war es noch nicht zu spät.
John Campbell, Erbe von Glenlyon, stopfte soeben ein sauberes Hemd in seinen Ranzen.
»Ich kann nicht, Marion! Ich muss zu Vater. Er erwartet mich zusammen mit den Männern des Clans im Lager. Ich habe mich ohnehin bereits zu lange aufgehalten.«
Die junge Frau hielt ihren Bruder, der dabei war, Strümpfe in sein Marschgepäck zu stecken, am Arm fest. Er warf ihr einen ungeduldigen Blick zu und riss sich los, um sich wieder ans Werk zu machen.
»John! Das ist sehr wichtig …«
»Finlarig liegt für dich doch am Weg, oder? Kehr nach Hause zurück, wie unser Vater es dir befohlen hat. Der Krieg ist Männersache, und es steht dir nicht zu, dich da einzumischen.«
»Das kann ich nicht… Du würdest es nicht verstehen.«
Wie hätte ihr Bruder auch begreifen können, dass sie sich wegen eines Macdonald weigerte, Drummond Castle zu verlassen? Sie selbst verstand ja kaum, was in den letzten Wochen in ihrem Herzen vorging. Genauer gesagt, seit Killin. Aber sie musste John irgendeinen Grund nennen. Sie brauchte ihm ja nur die Wahrheit zu sagen… Und dabei darauf zu achten, einige Fakten zu verändern.
»Siehst du, Breadalbane hat dem Earl of Strathmore meine Hand zugesagt … Er wird auf dem Schlachtfeld sein, daher…«
»Wie bitte?«, prustete ihr Bruder und sah sie verblüfft an. »Du und ein Earl?«
Er brach in Gelächter aus. Gekränkt und zornig starrte Marion ihn an.
»Und wieso nicht? Bin ich etwa nicht gut genug?«
»Du besitzt nicht einen einzigen Penny, Schwester!«
»Eine Ehe besteht aus mehr als einer guten Mitgift, John Campbell!«
»Ah! Selbstverständlich! Aber ich bin mir sicher, dass Strathmore sich diese ›kleinen Freuden‹ zu verschaffen weiß, ohne dass er dazu die Tochter eines ruinierten Laird zu
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