Lanze und Rose
ab.
»Ich… ich habe es verkauft.«
Ein schriller Schrei ertönte. Marion, die totenbleich geworden war, sprang auf und schlug beide Hände vor den Mund, aus dem jetzt kein Laut mehr drang. Duncan rutschte auf seinem Platz herum; sein Blick huschte zwischen der jungen Frau und ihrem Bruder hin und her.
»An wen?«, fragte Rob, der immer noch ruhig wirkte.
John vermochte seine Schwester nicht mehr aus den Augen zu lassen. Er war verzweifelt und ignorierte jetzt die anderen, die ihn ungläubig anstarrten.
»An den Sohn des Duke of Argyle…«
Die Worte trafen Marion wie ein Schlag. Stöhnend schüttelte sie den Kopf. Sie war sich sicher, dass sie träumte. Bestimmt verspottete ihr Bruder sie nur, so wie immer, damit sie aus der Haut fuhr. In seinem Blick suchte sie nach einer Spur von Hohn, doch sie sah nur Niedergeschlagenheit und Verwirrung.
»Heiliger Gott! Was hast du angerichtet, John?«
Ihre Beine trugen sie kaum noch, und der Raum drehte sich um sie. Jemand stützte sie und half ihr, sich wieder in den Sessel zu setzen. Duncan blieb hinter ihr stehen und legte begütigend die Hände auf die Schultern der jungen Frau.
»Ich habe es für Vater getan, Marion«, verteidigte sich John mit plötzlichem Elan. »Er könnte mehr als die Hälfte des Tals zurückkaufen…«
»Für Vater?«, kreischte sie und versuchte wieder aufzustehen; doch Duncans Hände hielten sie energisch auf ihrem Platz fest. »Hast du auch nur die geringste Ahnung, was du da an den Feind verschachert hast, John?«
»Vaters Unterschrift war nicht in dem Schreiben. Die von Breadalbane im Übrigen auch nicht.«
»Breadalbane ist mir vollkommen gleichgültig. Von mir aus kann er in der Hölle schmoren, und ich werde dennoch ruhig schlafen! Und außerdem, macht es denn etwas aus, ob Vaters Unterschrift darauf steht oder nicht? Das Wichtigste ist doch die Sache, für die man kämpft! Wo warst denn du, als deine Landsleute auf dem Schlachtfeld ihr Leben riskiert haben? Hast du bei einer Flasche Wein über den Preis für ihr Leben geschachert?
Hast du über deinen Verrat verhandelt, John? Oh John… Du hast dein Vaterland, deinen Clan und deinen Vater verraten! Du hast mich verraten…«
Ihre Stimme brach, und sie schluchzte auf. Tränen liefen über ihre blassen Wangen. Sichtlich verunsichert schlug John die Augen nieder.
»Ich habe dir vertraut…«
»Das verstehst du nicht, Marion. Ich mag nicht länger zusehen, wie Vater vor diesem Despoten Breadalbane im Staub kriecht und ihm die Stiefel leckt.«
Der junge Mann wandte sich zu dem Porträt seines Ahnen um, das hinter ihm hing, und wies mit dem Finger anklagend darauf.
»Dieser elende Säufer ist an allem schuld! Für seine verfluchte Flasche und seine verdammten Würfel hat er alles verkauft, alles geopfert! Er hat uns verkauft, und nun sieh, was aus uns geworden ist…«
»Sicherlich, Robert war nur ein armer, verrückter alter Mann… Aber das, was er verkauft hat, ist doch nicht für immer verloren, John. Ländereien, Höfe, Hügel, Bäume … von denen wir im Übrigen immer noch Einkünfte beziehen… Das hat er verkauft. Alles das kann man sich irgendwann zurückholen. Aber nicht das Leben eines Menschen…«
Kurz unterbrach sie sich und erhob sich ein Stück von ihrem Platz. Duncan hatte vorsichtig seine Hände weggenommen.
»Aber du, John, was hast du verkauft? Ist es dir wenigstens klar? Hast du darüber nachgedacht?«
»Marion…«
Mit großer Mühe versuchte John seine steinerne Miene aufrechtzuerhalten, doch es fiel ihm immer schwerer, seine Beschämung zu verbergen.
»Du hast das Leben dieser Männer verkauft«, fuhr sie mit tonloser Stimme fort. »Weißt du überhaupt, welche Strafe man zu gewärtigen hat, wenn man des Hochverrats für schuldig befunden wird?«
Er nickte langsam und wandte sich ab.
»Heilige Muttergottes! Ja, ich weiß es … Oh verflucht! Was für eine Schweinerei!«
»Das ist noch schwach ausgedrückt.«
»Mit wem habt Ihr das Geschäft abgeschlossen?«, erkundigte sich Rob.
John drehte sich ein Stück herum, ohne jedoch den anderen anzusehen. Er hielt den Blick in das Kaminfeuer gerichtet.
»Mit … dem Sohn des Duke of Argyle selbst. Es war niemand anderer anwesend.«
»Wie hat er bezahlt?«
»Mit Schuldverschreibungen.«
»Wo befinden sie sich?«
»An einem sicheren Ort.«
»Hat er Euch gesagt, was er mit dem Dokument anfangen wollte?«
»Nun ja…«
Er schloss die Augen, um sich besser konzentrieren zu können.
»Ich glaube,
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