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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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löste. Ich fing seinen bekümmerten Blick auf und spürte, dass er gewisse Vorbehalte gegen diesen Aufstand hatte. Doch er hatte zu mir nicht offen davon gesprochen, und ich wusste, dass er es auch nicht tun würde.
    Nicht der bevorstehende Kampf war es, der ihm Angst machte. Ich kannte ihn zu gut, um das zu erkennen. Etwas trieb ihn um. Doch die Ehre verpflichtete ihn, sich den Entscheidungen des Clanchiefs zu beugen. So war die Regel. Ein Clanmitglied, das sich weigerte, zu den Waffen zu greifen und seinem Chief zu folgen, lief Gefahr, sein Haus in Flammen aufgehen zu sehen
oder, schlimmstenfalls, verbannt oder sogar ohne viele Umstände hingerichtet zu werden. Zwar kannte ich John MacIain und wusste, dass er niemals zu solchen extremen Maßnahmen greifen würde. Aber Liam war ein Mann von Ehre. Und daher würde er mit seinem Clan marschieren, auch wenn es seinen persönlichen Überzeugungen zuwiderlief, und selbst wenn er dabei sein Leben oder das seiner Söhne lassen musste.
    Er nahm mein Gesicht in beide Hände und umkreiste es mit den Fingerspitzen.
    »Die Erinnerung daran, dich zu berühren, a ghràidh …«
    Mit geschlossenen Augen ließ er die Hände über meine Wangen, meinen Hals und meine Schultern gleiten, wo sie verhielten.
    »Gleich morgen fange ich an, neue Plaids für euch zu weben«, erklärte ich und lächelte traurig. »Wenn ihr zurückkommt, könnt ihr sie gewiss gut gebrauchen.«
    »Das ist sehr gut möglich, ja.«
    Uns fehlten die Worte. Sein Blick verdüsterte sich, er biss die Zähne zusammen, und eine ernste Miene trat auf sein Gesicht.
    »Und mach mir keine Dummheiten. Du mit deiner unseligen Angewohnheit, dich in die allergrößten Schwierigkeiten zu bringen, sobald ich dir einmal den Rücken kehre!«
    »Liam …«
    Er wischte mir eine Träne von der Wange und legte den Finger auf meine Lippen. Der Dudelsack quäkte immer noch, und die Männer begannen, sich ihren Rängen nach auszurichten, wobei sie den Kriegsruf ihres Clans ausstießen. Liam warf einen Blick über seine Schulter, auf der er den rot, blau und grün karierten Tartan der Macdonalds von Glencoe drapiert hatte. Seine Brosche funkelte, ebenso wie die Nadel mit dem Wappen, mit der er sich eine Adlerfeder und einen Zweig Heidekraut an sein blaues Barett gestreckt hatte.
    »Wir müssen aufbrechen… Ich glaube, es ist so weit.«
    Schmerzerfüllt sah er auf mich herunter und küsste mich dann noch einmal ungestüm. Ein Schauer überlief uns beide, und wir zitterten am ganzen Leibe.
    »Du weißt, was euch erwartet, nicht wahr?«, flüsterte ich mit
ernster Stimme und vergrub mein Gesicht in dem Wollstoff, der gut nach Seife und Heidekraut roch.
    »Ja.«
    Er legte die Wange auf meinen Kopf und seufzte.
    »Ich möchte, dass du eines weißt, a ghràidh mo chridhe …«
    »Und was?«
    »Was auch geschieht… Du sollst wissen, dass ich als glücklicher Mann fortgehe. Du hast mir mehr geschenkt, als ich jemals zu träumen gewagt hätte.«
    »Du redest, als ob du nicht zurückkommen würdest, Liam.«
    Meine Kehle war wie zugeschnürt.
    »Wir haben Krieg, Caitlin. Ich lege mein Schicksal in Gottes Hand.«
    Er lächelte schwach.
    »Wenn du ein wenig Zeit hast, bete für mich.«
    »Das ist nicht komisch.«
    »Nein, ich weiß …«
    Schweigend maß er mich mit einem langen Blick, als wolle er sich meine Züge unauslöschlich einprägen, und umarmte mich dann ein letztes Mal.
    »Ich liebe dich. Seit dem Tag, an dem dich Gott über meinen Weg geschickt hat, habe ich dich immer von ganzem Herzen geliebt. Vergiss das niemals, a ghràidh .«
    »Ich liebe dich auch, mo rùin. «
    Er trat zurück und richtete sein Plaid.
    »Warte!«
    Ich zog meinen Dolch aus seiner Hülle und schnitt mir eine Haarsträhne ab und reichte sie ihm. Liam roch mit geschlossenen Augen daran und steckte sie in seinen Sporran 11 . Dann wandte er sich ab und nahm seinen Platz zur Rechten von Alasdair Og ein, an der Spitze der kleinen Armee der Macdonalds von Glencoe, die sich in Bewegung setzte. Mit den Männern ging auch ein Teil von mir. Würde er zu mir zurückkehren?

Vergangenheit ein bloßes Vorspiel ist,
doch dir und mir das Künftige obliegt.
    Shakespeare, Der Sturm

3
Die Belagerung
    Der alte Mann gestikulierte und schnitt wilde Grimassen. Der Schein der Flammen verzerrte seine groben Züge und ließ ihn wie einen komischen Wasserspeier aussehen. Duncan schüttete sich vor Lachen aus und vergaß für kurze Zeit Elspeth und seinen Heiratsantrag. Er hatte

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