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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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Hände, die mich so grob an den Schultern rüttelten, hielten endlich still. In der Dunkelheit, die mich von neuem umschloss, war jetzt nur noch unser stoßweiser Atem zu hören. Mein Herz schlug zum Zerspringen.
    »A bheil thu ceart gu leòr?« Geht es wieder?
    Der Griff, der um meine Schultern lag, lockerte sich. Im blassen Mondlicht begann ich die Silhouette von Liams Unterkiefer zu erkennen.
    »Tha , ja, schon gut.«
    Ein Schluchzen schnürte mir die Kehle zu. Liam zog mich zärtlich an sich, wiegte mich in seinen Armen und wartete, bis ich ruhiger wurde. Lange schmiegte ich mich so zitternd an ihn. Ganz langsam löste er sich von mir. Seine Lippen legten sich auf meine Stirn, auf meinen Nasenrücken und dann auf meinen Mund, wo sie länger verhielten und mich begieriger und genüsslicher liebkosten. Von hier aus glitten seine Lippen weiter, um sich meinem Hals, meinen Schultern, meiner Brust zu widmen, wärmten meine kalte Haut und beruhigten mich …
    Nach und nach schlug mein Herz wieder so gleichmäßig wie das Ticken der Pendeluhr, das durch das stille Haus klang. Ich ließ den Blick durch das Zimmer schweifen, das vom Mondschein erhellt wurde. Liams Schwert, das an die Wand gelehnt dastand, blitzte auf, und ich seufzte laut.
    »Tuch, a ghràidh ! Psst, meine Liebste!«
    Ein seltsames Unbehagen ergriff mich, zog mir den Magen zusammen und schnürte mir die Kehle zu. War dieser Traum ein Omen gewesen, eine Vision? Ich legte die Hände um Liams Gesicht und zog es zu mir heran.
    »Schwöre mir, Liam …«, flüsterte ich mit vom Schmerz rauer Stimme. »Schwöre mir, dass du wiederkommst, und dass du mir meine Söhne zurückbringst.«
    »Ein solches Versprechen kann ich dir nicht geben, Caitlin.«
    »Schwöre es mir, Liam!«
    Er sah mich lange an. Ganz offenbar trieben ihn die gleichen Ängste um wie mich. War er der Mann aus meinem Traum gewesen? War das er, dieser verstümmelte Körper, dieser Klumpen aus Fleisch, Knochen und Blut?

    »Ich kann es nicht …«, sagte er noch einmal, und der Kummer ließ seine Stimme heiser klingen.
    »Doch, du kannst! Um meinetwillen. Du musst mir diese Zuversicht schenken, Liam … Bitte …«
    Er drückte mich auf die Matratze, umschlang mich und bedeckte meine Lippen mit seinem Mund.
    »Ich werde zurückkehren, a ghràidh … um deinetwillen. Ich werde immer bei dir sein, ebenso, wie du bei mir bist.«
    »Liam, ich habe solche Angst. Ich habe geträumt … Ich habe den Tartan der Macdonalds gesehen, blutbefleckt, auf einem Schlachtfeld. Da waren Raben zu Hunderten… die Morrigane 8 …«
    »Tuch!«
    Mein Mund war wie ausgedörrt. Ich schluckte, doch auf meiner Zunge blieb ein bitterer Geschmack zurück. Oh mein Gott! Verschone ihn, und verschone meine Söhne!
    »Ich möchte die Erinnerung an deinen Körper mit mir nehmen, a ghràidh . Ich will dich in meinen Armen spüren, wenn ich bei Nacht die Augen schließe. Deinen Duft riechen… den Geschmack deiner Haut auf meiner Zunge bewahren.«
    Er streichelte meine Hüften und meine Schenkel und schob mein Nachthemd hoch. Liam war jetzt siebenundvierzig Jahre alt, aber die Zeit hatte ihm offenbar nichts anhaben können. Gewiss, einige graue Haare schmückten seine Schläfen, und in seinen Augenwinkeln hatten sich ein paar Fältchen breitgemacht. Doch er war derselbe vehemente, ungezähmte Mann geblieben, der meinem Körper immer noch leidenschaftlich huldigte. Manchmal voll unendlicher Zärtlichkeit, und dann wieder mit beinahe animalischem Ungestüm.
    Mir wurde klar, dass wir vielleicht zum letzten Mal zusammenlagen. Tränen verschleierten meinen Blick, und ich schluchzte erstickt auf. Ich hätte gewünscht, dass er für immer in mir blieb.
    Einige Minuten später sackte er über mir zusammen. Seine zerzausten Locken bedeckten mein Gesicht und klebten an meinen feuchten Wangen. Jetzt war nur noch das unermüdliche
Ticken der Uhr zu hören, das mich gnadenlos daran erinnerte, dass die Zeit verging, mir unwiederbringlich durch die Finger rann.
    »Komm zurück zu mir, mo rùin …«

    Die Männer hatten sich versammelt. Eine bedrückte Stimmung lastete über den Reihen. Meine Söhne standen hoch aufgerichtet neben ihrem Vater, der ihnen Befehle erteilte. Denn im Moment war Liam nicht mehr ihr Vater, sondern ihr Lieutenant. In Kriegszeiten führten die Anführer der Clans den militärischen Rang, der ihnen nach ihrer gesellschaftlichen Stellung zukam, und die anderen schuldeten ihnen Gehorsam.
    Alle waren sie gekommen: Simon,

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