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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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schließlich beschlossen, ihn zu verschieben und sie erst um ihre Hand zu bitten, wenn er ruhmreich aus der Schlacht zurückkehrte.
    Murchadh Macgillery streckte die Zunge heraus, rollte heftig mit den tiefliegenden Augen, die von einer feinen, schneeweißen Mähne beschattet wurden, und erzählte zum wohl tausendsten Male von den Hinrichtungen der beiden Chiefs von Argyle, Vater und Sohn, die vor vierundfünfzig und vor dreißig Jahren stattgefunden hatten und denen er beiden beigewohnt hatte. Duncan ließ den Blick über die Gruppe schweifen, die seiner Erzählung lauschte. Die meisten der Männer waren, so wie er selbst, noch nicht einmal auf der Welt gewesen, als man Archibald Campbell dem Jüngeren den Kopf abgeschlagen hatte. Trotzdem ergötzte er sich genau wie die anderen an den makaberen Geschichten über ihre Erzfeinde.
    Träge streckte er die langen Beine vor sich aus, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und genoss die Wärme des Feuers. Fast ein Monat war jetzt vergangen, seit das Flammende Kreuz durch das Tal getragen worden war. Dreiundzwanzig anstrengende Tage, an denen sie über schlammige Straßen marschiert waren, die schon von mehr als viertausend bewaffneten Männern zertrampelt worden waren, durchnässt vom Nieselregen und der Gischt, die der Wind vom Loch Linnhe herantrug. Und nun saßen sie seit vier Tagen untätig im Lager.

    General Gordon hatte das Lager etwa eine dreiviertel Meile nordöstlich der Stadt Inveraray aufschlagen lassen, der Hochburg des zweiten Duke of Argyle, John Campbell, dem man wegen seines roten Haars und seiner zahlreichen militärischen Glanzleistungen auf dem Kontinent den Beinamen »Roter John« verliehen hatte. Der Duke of Argyle, Generalissimus der hannoveranischen Regierungstruppen unter König George I., hatte seine Standarte in Stirling aufgepflanzt. Noch wusste man nichts über die Stärke seiner Armee und wartete auf neue Instruktionen vom Earl of Mar. Die Männer, welche die Nachrichten bringen sollten, waren noch nicht aus Perth zurück, wo der Mar und ein großer Teil des aufständischen Jakobitenheeres Stellung bezogen hatten.
    Inveraray wurde gegenwärtig von Archibald Campbell verwaltet, Earl of Islay und jüngerer Bruder des abwesenden Duke of Argyle. Der Earl hatte offenbar seine Gegner erwartet und sich aus Angst vor einem eventuellen Angriff aus der Stadt zurückgezogen. Um die Wahrheit zu sagen, hatte General Gordon eine Attacke erwogen, zögerte aber noch. Die Stadt schien gut verteidigt zu sein. Außerdem kannte man die wirkliche Stärke der hannoveranischen Armee noch nicht. Daher war es riskant, zum Angriff überzugehen, und erst recht auf unbekanntem Territorium. So etwas barg die Möglichkeit hoher Verluste.
    Daher erfreuten sich die Männer nun einiger Tage der Ruhe, an denen sie sich ihren Lieblingsbeschäftigungen widmen konnten, das heißt dem Viehdiebstahl und dem Plündern von Bauernhöfen. Da sie sich in Argyle befanden, wussten sie ihre Trophäen doppelt zu schätzen. Duncan hätte nichts dagegen gehabt, den Fuß in die Stadt zu setzen, die einst seine Vorfahren geplündert hatten, und an einem Raubzug gegen die Hauptstadt von Argylshire teilzunehmen.
    »… Ich versichere euch, dass die Augen des alten ›scheelen Argyle‹ noch stärker geschielt haben, als man seinen Kopf auf die Pike gesteckt hat!«, erklärte der alte Murchadh und ahmte das starke Schielen nach, an dem der erste Marquess of Argyle gelitten hatte.
    »Deswegen hat er sich wahrscheinlich immer auf die falsche
Seite geschlagen!«, schrie ein Mann aus der Menge, die sich um den Geschichtenerzähler gesammelt hatte. »Bestimmt hat er sich sogar im Jenseits verlaufen und ist in der Hölle gelandet.«
    Gelächter brandete unter den Zuhörern auf.
    »Ja, in der Hölle muss es wohl von diesen Campbell-Schlangen wimmeln«, rief ein anderer, der ziemlich lallte.
    Eine Flasche Whisky tauchte in Duncans Blickfeld auf. Aus seinen Gedanken gerissen, fuhr er zusammen.
    »Ich glaube, ich habe seine Geschichte schon über zwanzigmal gehört«, bemerkte Allan Macdonald und setzte sich neben ihn.
    Ranald war mit ihm gekommen, doch er blieb mit vor der Brust verschränkten Armen stehen, um die Geschichte anzuhören, die der alte Mann jetzt fortsetzte.
    »Ich hätte nicht übel Lust, mich ein wenig in Richtung Inveraray umzuschauen«, verkündete Allan ein wenig leiser.
    »Heute Abend?«, rief Duncan aus und verschluckte sich an einem Schluck Whisky. Er zog eine seiner schwarzen

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