Lanze und Rose
bin ich zu Lochiel gegangen; er hat mir die Geschichte nicht bestätigt, sie aber auch nicht abgestritten. Doch ich habe an seinem Blick abgelesen, dass es die Wahrheit war. Wir haben verloren. Ich kann es einfach nicht fassen … Warum?«
Alasdair und Liam tauschten einen wissenden Blick aus. Ich spürte, wie meine Beine unter mir nachgaben, und hielt mich an dem kleinen Tisch fest.
»Soll das etwa heißen, dass man uns die ganze Zeit etwas vorgemacht hat!?«, schrie ich zornentbrannt. »Diese Gerüchte über einen Gegenschlag und über eine Krönung…«
»Mar hat alle Möglichkeiten, die wir hatten, sabotiert«, stieß Colin hervor, den jetzt ebenfalls die Wut ergriff. »Ein Schönredner und ein miserabler Stratege, das ist unser Oberkommandierender. Er hätte schon vor Wochen einen Angriff befehlen müssen, als wir uns noch im Vorteil befanden. Die Franzosen und Spanier, die auf ihren Schiffen warten, werden es nicht riskieren, sich den Hintern mit Blei spicken zu lassen, solange er ihnen keine Strategie für einen Gegenangriff vorlegt. Aber mit seinem Zaudern hat dieser Schwachkopf all unsere Aussichten zunichtegemacht. Stur hat er darauf beharrt, auf den Prätendenten zu warten. Und unterdessen hat das Lager sich geleert. Inzwischen dürfte Argyles Armee ungefähr zehntausend Mann zählen, während die unsere gerade einmal viertausend vereint. Es ist zu spät!«
Kalter Zorn hatte sich meines ganzen Körpers bemächtigt. Ich vermochte mich nicht länger zu beherrschen. Vor Wut explodierte ich buchstäblich und kreischte meinen Hass und meinen Schmerz hinaus.
»Diese Bastarde! Wofür halten sie uns eigentlich? Sind wir denn nichts als Figuren auf einem Schachbrett, die man mit dem Handrücken herunterfegt, sobald man den Ausgang der Partie kennt? Ist mein Sohn etwa für nichts gestorben?«
»Caitlin…«
Liam trat auf mich zu und versuchte, mich in die Arme zu nehmen. Doch ich stieß ihn heftig zurück. Mir stand der Schaum vor dem Mund, und ich musste dieses Gift loswerden, das mir seit meiner Ankunft in Perth vor fünf Tagen das Herz zerfraß. Selbst ein Blinder hätte an den Blicken der Soldaten erkannt, wie ernüchtert und niedergeschlagen sie waren.
Nur die Hälfte der Männer waren überhaupt angemessen bewaffnet. Die anderen besaßen nichts als Spieße, Äxte, verrostete
Schwerter oder Mistgabeln. Manche trugen bloß alte Brogues 37 mit durchlöcherten Sohlen an den nackten Füßen. Konnte man so etwas eine Armee nennen? Das war eine Farce!
»Warum hat Mar uns überhaupt zu den Waffen gerufen, Liam? Kannst du mir das einmal erklären? Nur damit sich am Ende alles in Luft auflöst? Und warum ist der König — nein, dieser Schwindler, der sich König nennen lässt – hergekommen, na? Etwa um ohne einen Finger zu rühren zuzusehen, wie seine Untertanen von König Georges’ Männern wie Hunde abgeschlachtet werden?«
Während die drei Männer mich verblüfft und ohnmächtig anstarrten, machte die ganze unterdrückte Wut, die sich wochenlang in mir aufgestaut hatte, sich in meinen Worten Luft und rann mit meinen Tränen über meine Wangen. Ich fiel auf die Knie und vergrub das Gesicht in meinen vor Erregung zitternden Händen.
»Dieser scheinheilige Bastard, dieser verfluchte Mar. Er ist schuld an Ranalds sinnlosem Tod. Oh, Liam!«
Liams große Hände legten sich auf meinen Kopf und zogen mich an sich. Ich packte seinen Kilt und vergrub mich darin.
»Soll unser Sohn für ein bloßes Hirngespinst gestorben sein? Neiiin…«
Ich hörte leises Stimmengewirr, dann Schritte, die sich entfernten. Die Türe öffnete und schloss sich wieder, und dann herrschte eine düstere Stille. Liam kniete vor mir nieder und nahm meine Hände.
»A ghràidh «, flüsterte er ernst, »Ran ist gestorben, weil er seinen Überzeugungen treu geblieben ist, wie wir anderen auch.«
»Und du glaubst immer noch daran, Liam? Sag mir die Wahrheit.«
Er schlug die Augen nieder, aber ich hatte noch Zeit, darin Enttäuschung und Niedergeschlagenheit zu erkennen. Sein zum Sprechen geöffneter Mund verzog sich verbittert.
»Wenn nicht jetzt, dann eben ein anderes Mal. Aber wir werden
niemals aufgeben, Caitlin. Ich wünschte mir so sehr, du könntest das verstehen. Der Preis ist hoch, aber … Ich weiß es nicht mehr … Ich fühle mich so ohnmächtig. Das Einzige, was ich noch habe, ist die Hoffnung, und an die klammere ich mich, so fest ich kann. Und außerdem ist da noch Frances, die sich im Moment in Inverness
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