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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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Gedanke führte zum anderen, und ich überlegte laut.
    »Glaubst du, du bist in der Lage, nach Inverness zu reiten?«
    »Zweifelst du daran?«
    »Nun, du bist abgemagert und hast an Kraft verloren … Der Weg ist noch weit. Und dann noch der Schnee, diese Kälte und die Gefahr, noch einmal einer Abteilung Dragoner zu begegnen…«
    »Ja und? Ich bin ein wenig schmaler geworden, das stimmt. Aber ich habe die Gestalt zurückgewonnen, die ich als junger Mann hatte … Und auch meine Kraft.«
    Er stieß ein leises, heiseres Lachen aus und wälzte sich auf mich.
    »Oh!«, meinte ich verblüfft.
    In der Tat, er hatte seine Energie vollständig zurückgewonnen.

    »Und deine grauen Haare?«, neckte ich ihn. »Sie sind immer noch da, und wie ich sehe, sogar in größerer Zahl.«
    »Ach, die grauen Haare! Verräter! Hmmm… Sagen wir einfach, dass sie ein Zeichen von Weisheit sind. Außerdem musst du zugeben, dass sie mir Charme verleihen.«
    »Charme, ja? Und hast du jetzt vor, den zu missbrauchen? Vielleicht sollte ich sie dir einzeln ausreißen!«
    Er zog eine entsetzte Miene und prustete dann vor Lachen.
    »Dazu wärest du durchaus in der Lage! Aber du wirst sicherlich deine Meinung ändern, wenn sich dir verrate, dass wie bei Samson meine ganze Kraft in meinem Haar wohnt!«
    »Ja … Das kompliziert die Dinge ein wenig. Du bist sehr gewitzt, mo rùin .«
    Er lächelte.
    Seine Miene strahlte Heiterkeit und Glück aus, und er sah mich voller Zärtlichkeit an. Gar nicht davon zu reden, dass er mich erneut begehrte, wie ich an meinem Schenkel spüren konnte. Er war da, lag springlebendig in meinen Armen und hüllte mich in eine süße Wärme. Ich schmiegte mich noch fester an ihn.
    »Dann behalten wir also die grauen Haare?«
    »Ja…«

Schicksal ist das, was uns befällt,
wenn wir gerade nicht damit rechnen.
    Tahar Ben Jelloun

27
Ein beschwerlicher Ritt
    Das Wetter war besonders mild, und das Gezwitscher der Vögel, die nach den letzten noch an den Ebereschen hängenden Beeren suchten, erfüllte den Wald. Die Pferde waren gesattelt und die Satteltaschen befestigt. Liam hatte sowohl seine Pistolen wie auch Colins Waffe gereinigt und Letztere in die Futterale an meinem Sattel gesteckt. Wir würden durch feindliches Gebiet reiten.
    Ungeduldig wartete ich auf Beatrix’ Rückkehr. Undenkbar, dass wir aufbrachen, ohne ihr von ganzem Herzen zu danken und sie in die Arme zu schließen. Ich sah auf den Weg, der sich in Serpentinen an der Hügelflanke hinaufschlängelte, und hielt Ausschau nach ihrer zarten, kleinen Gestalt, die auf einem Eselchen ritt. Sie hatte das Tier Amandine genannt, wahrscheinlich weil es so dumm war wie die Frau ihres verlorenen Geliebten. Ich würde sie vermissen; zwischen uns war eine enge Freundschaft entstanden.
    Ein paar Häher begannen laut zu krächzen. Dann kam die Silhouette eines Reiters um die Wegbiegung. Ich beschattete meine Augen mit der Hand, denn die weiße Landschaft warf das Sonnenlicht grell zurück. Es war eine Frau, aber nicht Beatrix. Die Unbekannte ritt ein Pferd, und ihr Gesicht war von einem flammenden Haarschopf umgeben. Eine Freundin vielleicht. Kurz darauf erschien hinter ihr eine zweite Gestalt; und dieses Mal erkannte ich Beatrix.
    Ich fuhr herum, um zu Liam zu laufen. Er befestigte gerade die letzte Decke, in die er Colins Schwert gesteckt hatte.
    »Sie kommt!«
    Liam sah zum Weg hin. Augenblicklich ließ er den Sattelgurt
fahren, den er in der Hand hielt, und ein strahlendes Lächeln breitete sich über sein Gesicht.
    »Sieh doch, a ghràidh !«
    Ich folgte seinem Blick. Hinter den beiden Frauen ritten fünf Highlander. Ich hatte mich abgewandt, als ich Beatrix gesehen hatte, und daher den Rest der Truppe nicht bemerkt. Dann erkannte ich ihn. Langes Haar, das so schwarz und schimmernd wie das Gefieder eines Raben war, das Plaid von Glencoe… Mein Herz setzte aus und schlug dann wie rasend weiter. Mein Sohn…
    »Duncan?«, flüsterte ich ergriffen.
    Seit fast vier Monaten hatte ich ihn nicht gesehen. Ein Schluchzen schnürte mir die Kehle zu.
    »Mein Sohn! Es ist Duncan!«
    Die Reiter legten das letzte Stück Weges zurück, das sie von der Hochebene, auf der die Kate stand, trennte. Ich rannte los. Duncan sprang vom Pferd und riss mich in die Arme. Meine Freudentränen benetzten seine Schultern.
    »Mutter…«, flüsterte er in mein Haar hinein, das er zärtlich streichelte. »Mutter, ich…«
    Genau wie ich war er so aufgewühlt, dass ihm die Stimme versagte. Er sprach

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