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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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ihrer Mähne, die im Wind wehte und ihn im Gesicht kitzelte.
    »Tut es sehr weh?«
    »Hmmm… Ein wenig.«
    Ihr Profil hob sich vor dem grauen Nebel ab, der sie umgab wie ein Filzmantel. Er hob den Kopf und drückte die Lippen auf die kühle Wange, die Marion ihm bot.
    »In Zukunft verbiete ich dir, solche Ideen auszubrüten«, flüsterte er ihr ins Ohr.
    »Aber wir haben Erfolg gehabt!«

    Er drückte sie fest an sich.
    »Ich hätte dich beinahe verloren, Marion! Wenn du dich nicht unter diesem Tisch versteckt hättest … Ich wage gar nicht, daran zu denken … Und außerdem ersticke ich in diesem Plaid!«
    »Was ist denn mit diesem Plaid, Duncan?«; fragte sie lächelnd. »Hüte deine Zunge, denn ich habe dich noch nicht zusammengeflickt.«
    »Au! Gut, einverstanden. Wenn ich es recht bedenke, sind deine Farben doch ganz hübsch.«
    »Hmmm… Ja.«
    Mit einem Mal vernahmen sie Hufgetrappel, das immer lauter wurde. Auf der Straße ritt ihnen jemand entgegen. Die Gruppe schlug sich an den Straßenrand, und dann tauchte auch schon der Reiter aus dem Nebel auf und galoppierte vorbei, ohne sie zu sehen.
    »Heh, das ist ja Hamish, der Stallknecht der Dunns!«, rief Calum aus.
    Liam und Angus hatten ihren Tieren bereits die Sporen gegeben und versuchten, ihn einzuholen. Neugierig sah Duncan ihnen nach. Wahrscheinlich machte man sich im Herrenhaus Sorgen um Marion. Allerdings war Hamish einer der beiden Männer gewesen, die sie nach Stockhaven in die Herberge begleitet hatten, und er hatte gesehen, wie sie mit Mackay und seinen Männern fortgeritten waren. Duncan hatte ihm sogar verstohlen bedeutet, er solle nach Hause zurückkehren.
    Die drei Männer sprachen aufgeregt miteinander. Schließlich stieg Liam vom Pferd. Angus und der Stallknecht kamen schweigend und sichtlich erschüttert auf die Gruppe zu. Liam war zurückgeblieben.
    »Was ist passiert?«, erkundigte Marion sich bei Duncan.
    »Ich weiß es nicht. Aber wir werden es bald erfahren …«
    Ein Schrei zerriss die Stille. Liam vergrub das Gesicht in den Händen und fluchte. Duncan sah ihn voll böser Vorahnungen an. Was mochte Schreckliches geschehen sein, das seinen Vater so aus der Fassung gebracht hatte?
    »Herrgott…«
    Marion saß vor ihm wie erstarrt im Sattel und sprach kein
Wort. Angus kam zögernd auf die beiden zu. In seinem Gesicht las Duncan einen Teil der Qualen, die sein Vater durchzumachen schien. Innerlich begann er die düstersten Mutmaßungen anzustellen. Vielleicht war der Prätendent doch ermordet worden. Oder der Duke of Argyle hatte die jakobitischen Truppen eingeholt und massakriert. Vielleicht war Patrick in einen Hinterhalt geraten… Fragend sah er Angus an und war sich vollständig bewusst, das er keine gute Nachricht für ihn hatte.
    »Duncan…«, begann der alte Kampfgefährte seines Vaters. »Ich… Es geht um deine Mutter.«
    Mit allem hätte er gerechnet, nur damit nicht! Er sah zu seinem Vater, der zutiefst niedergeschmettert wirkte. Seine Mutter… Sein Magen krampfte sich zusammen, als er sich das Schlimmste vorstellte. Marion grub die Finger in seinen Arm; ein Zeichen, dass sie seine Befürchtungen teilte.
    »Meine Mutter?«
    »Sie ist entführt worden…«
    »Wie bitte? Entführt? Wer hat sie…«
    »William Gordon, der Kurier des Earl of Marischal«, erklärte Angus. »Er wollte mit ihr nach Montrose. Er…«
    »Er war der Bote«, stammelte Marion.

32
Leichen im Keller
    Ein unangenehmer Geruch nach verfaultem Fisch stach mir in die Nase. Ich beobachtete das Profil meines Entführers, der mir die rechte Seite zuwandte. Er lehnte sich an den Rahmen der weit geöffneten Tür, hinter der das Meer lag, und sah mit halb geschlossenen Augen in die Ferne. Sein Haar, das nach dem langen Ritt zerzaust war und ihm jetzt offen auf die Schultern fiel, wehte im Wind. Seine Kiefermuskeln zog sich im selben Rhythmus zusammen, den er mit den Fingern auf seinem angezogenen Knie trommelte. Er schien über unsere Lage nachzudenken.
    Nach einem Ritt entlang der zerklüfteten Küste, den wir in völligem Schweigen zurückgelegt hatten, waren wir gegen Mitternacht in der kleinen Stadt eingetroffen und hatten uns direkt hierherbegeben, an einen verlassenen Strand, auf dem ein paar Fischerhütten standen. Diese Schuppen dienten zum Räuchern und wurden außerhalb der Hauptfischereizeit als Abstellraum benutzt. Gordon hatte mich gezwungen, in eine davon zu treten und mich mit den Handgelenken an den Bug einer kleinen, umgekehrt daliegenden

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