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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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Schritt zurück. Kurz richtete sich sein kalter, berechnender Blick auf Duncan. Die Zeit schien stehen geblieben zu sein. Er wird abdrücken …
    Duncan hatte gelernt, dieses kurze Aufblitzen von Irrsinn zu erkennen, dass im Blick eines Mannes aufflammt, der sich anschickt,
den Abzug einer Waffe zu drücken. Der Meuchelmörder verzog den Mund zu einer Grauen erregenden Grimasse. Herrgott, er wird es tun! Er wird Marion töten! Seine Gedanken überschlugen sich. Und wenn er ihn verfehlte? Wenn es ihm nicht gelang, ihn auszuschalten? Mackay richtete die Waffe auf sein Ziel, und sein Finger, der auf dem Abzug lag, begann sich zu bewegen. Duncan kam es vor, als würde ihm das Herz in der Brust zerspringen.
    Jetzt! Er zog seine Pistole. Mackay sah in seine Richtung. Duncan hatte auf ihn angelegt. Vor Verblüffung wich Mackay einen Schritt zurück.
    »Ihr elender…«
    Ein Schuss hallte durch den Raum, dann ein zweiter und ein Schmerzensgeheul. Marion schrie verängstigt auf und hockte dabei immer noch wie gelähmt unter dem Tisch. Duncan hatte den anderen am Arm getroffen. Mackays Kugel war ins Dach gefahren, dann hatte er die Waffe fallen gelassen. Stöhnend und fluchend hielt er sich den Arm.
    »Verfluchter Bastard!«
    In den Dachbalken knirschte es unheimlich. Duncan sah auf und stellte entsetzt fest, dass das Dach herunterkam. Mackays Kugel hatte einen bereits geschwächten Balken durchschlagen. Ihr verletzter Peiniger schaute ebenfalls perplex gen Himmel. Marion regte sich in ihrem Unterschlupf und streckte ein Bein aus.
    »Nein! Nicht bewegen, Marion!«, hörte Duncan sich brüllen.
    Dann brach mit einem unbeschreiblichen, ohrenbetäubenden Knarren und Krachen ein Teil des Dachs über ihnen zusammen.

    Auch der Körper besitzt ein Erinnerungsvermögen.
    Wie aus weiter Ferne drangen Schreie und das Klirren von Waffen zu ihm und schienen jede Faser seines Körpers zu erschüttern. Dumpfe Angst und die Übelkeit, die ihr unvermeidlich folgt, schnürten ihm die Kehle zu. Sein Magen drehte sich. Das Bild eines Gemetzels stand ihm vor Augen und flößte ihm Entsetzen ein. Er biss die Zähne zusammen und schluckte die aufsteigende Galle herunter. Sheriffmuir … Er befand sich wieder
auf dem Schlachtfeld; seine Beine waren unter dem gestürzten Pferd eingeklemmt. Er stöhnte und begann, sich zu rühren. Ein scharfer Schmerz fuhr durch seinen Schenkel. Seine Verwundung … Der Schwerthieb, der Dragoner … War er nicht in die Leiste getroffen worden? Doch es kam ihm vor, als ob … Nein, ihm tat das Bein weh, nicht die Leiste.
    Langsam, mit zitternder Hand, tastete er sein Bein ab, das unter etwas Schwerem eingeklemmt war, und traf nicht auf weiches, warmes Fell, sondern auf eine harte, raue Oberfläche. Das war kein Tier, sondern ein Holzbalken. Mit den Fingern fuhr er unter sein Plaid, an die schmerzende Stelle. Ein Holzsplitter hatte sich in seinen Schenkel gebohrt und ragte mehrere Zoll aus der Haut hervor. Mit einer raschen, ruckartigen Bewegung riss er ihn heraus und stieß einen Schmerzensschrei aus. Der Splitter war schmal, etwa sechs Zoll lang und blutverschmiert. Das war nicht Sheriffmuir.
    Dunnottar … Das Dach … Marion …
    »Marion…«, stöhnte er.
    Nichts als Schweigen antwortete ihm. Bedrückende Stille herrschte, in der nur das ferne Donnern der Wogen zu hören war, die sich an den Felswänden brachen. Langsam kam sein Denkvermögen wieder in Gang. Er stützte sich auf die Ellbogen und sah sich um. Ein gähnendes Loch im Dach, durch das er den Sternenhimmel sah, ließ die beißende Winterkälte ein, die an der Küste herrschte.
    »Marion! Gott im Himmel, nein!«
    Aus der Staubwolke, die sich langsam verzog, tauchten ein Haufen Dachbalken und dunkle, schimmernde Steine auf. Duncan, der nur auf den Schmerz in seinem Herzen hörte und seine körperliche Pein beiseite schob, stieß den Balken weg, der über ihm lag. Nichts gebrochen; er hatte den Zusammenbruch des Dachs überstanden. Wahrscheinlich war der Balken vom Boden abgeprallt und erst dann auf ihn gefallen. Mühsam erhob er sich und sah sich panisch um. Unter dem Schuttberg ragte ein merkwürdig verrenktes Paar Beine hervor. Hoffentlich schmorst du in der Hölle, Mackay! Der Tisch… Marion hatte unter dem Tisch gehockt! Aber wo war er geblieben?

    »Marion!«, schrie er, von schrecklichen Vorahnungen erfüllt.
    Er stürzte sich auf den Trümmerhaufen und begann, die Stelle, an der zuvor der Tisch gestanden hatte, zu durchwühlen. Die scharfen

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