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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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an, und ich tat ein paar Schritte, während ich überlegte, wie ich hier herauskommen sollte. Meine Fesseln saßen ziemlich fest. Sollte ich schreien? Das war eine Idee… Da hätte ich allerdings sicher sein müssen, dass Gordon sich nicht in der Nähe aufhielt. Außerdem hatte ich keine Ahnung, wie weit ich von der nächsten menschlichen Wohnstatt entfernt war. Sicherlich lagen die Fischerhütten weitab vom Dorf.
    Die Tür öffnete sich, und grelles Licht hüllte mich ein. Ich blinzelte. Im Gegenlicht zeichnete sich die Silhouette eines Mannes ab. Er war ziemlich schmal und groß, aber dennoch gut proportioniert. Mein Herz, das bei dem Gedanken, dass Liam mich retten kam, einen Satz getan hatte, schlug im gewohnten Rhythmus weiter. Gordon war zurück.
    »Gut geschlafen?«
    Zur Antwort lächelte ich höhnisch, was er nicht zu bemerken vorgab. Er legte ein kleines Bündel auf den Boden und nahm im Schneidersitz daneben Platz.
    »Habt Ihr Hunger?«
    Endlich etwas zu essen! Für einen Bissen Nahrung war ich bereit, einen Waffenstillstand zu schließen. Ich setzte mich ihm gegenüber, während er unser morgendliches Mahl auspackte: kleine goldbraune Milchbrötchen, Käse, geräucherten Hering,
kalten Schinken, Äpfel und Bordeaux. Kein Haferbrei. Ein richtiges Festmahl also!
    Gordon schnitt mit seinem Dolch Brot und Käse ab und reichte mir lächelnd davon. Sein Haar war mit einem nachtblauen Band lässig im Nacken zusammengefasst. Seine Wangen waren glatt und leicht gerötet: Er hatte sich rasiert. Ich verschlang meine Ration und betrachtete dabei meinen Entführer.
    »Was habt Ihr mit mir vor?«
    Fein säuberlich zerteilte er nun auch den Schinken, spießte ein Stück davon mit der Spitze seines Dolches auf und bot es mir an. Einen Moment lang starrte ich auf die scharfe Stahlspitze, die sich durch das rosige Fleisch bohrte; dann nahm ich das Stück Schinken und dankte ihm widerwillig. Ich durfte nicht vergessen, wer dieser Mann war und warum er mich verschleppt hatte. Obwohl er mich momentan mit Achtung behandelte, würde er die Waffe, mit der er mir heute Morgen meine Nahrung reichte, später womöglich zu etwas ganz anderem gebrauchen.
    »Was ich mit Euch vorhabe? Ich weiß es nicht«, gestand er und verleibte sich einen geräucherten Hering ein.
    Er wischte sich die Finger an dem Leinenstoff ab, in den er seinen Proviant eingeschlagen hatte, und trank einen Schluck Wein. Dann bot er mir die Flasche an, aber meine Fesseln behinderten mich in meinen Bewegungen, was ihm nicht entging.
    »Wartet«, meinte er und nahm sein Messer.
    Rasch schnitt er die Schnur durch und befreite meine Handgelenke, die von dem rauen Hanfstrick ganz aufgescheuert waren. Ich rieb darüber.
    »Nur für ein paar Minuten«, mahnte er und sah mich aus seinen meerblauen Augen an.
    Daran zweifelte ich keinen Moment. Ich ergriff die Flasche und trank ein paar Schlucke Wein. Gordon war merkwürdig still geworden und wandte den Blick nicht von mir. Wieder hatte ich, genau wie gestern Abend, das eigenartige, nagende Gefühl, ihn schon einmal gesehen zu haben. Diese Kopfhaltung, diese Art zu lächeln… Etwas sagte mir, dass ich diesem Mann schon irgendwo begegnet war, und zwar nicht in Perth oder Edinburgh. Aber wo dann? Mein Gedächtnis ließ mich im Stich.

    »Wie lange wollt Ihr mich hier festhalten?«, fragte ich noch einmal.
    »So lange wie nötig. Der Prätendent soll heute kommen. Die französischen Schiffe liegen vor Anker; ich habe sie heute Morgen gesehen.«
    »Warum wollt Ihr ihn umbringen? Er kehrt nach Frankreich zurück; reicht Euch das denn nicht?«
    »Nein«, gab er einfach zurück.
    Er biss in einen Apfel und kaute langsam.
    »Er könnte jederzeit versuchen wiederzukommen«, erklärte er.
    »Seid Ihr an der Belohnung interessiert?«
    »Die Belohnung? Das hat natürlich auch eine Rolle gespielt. Allerdings glaube ich nicht, dass ich noch in der Lage sein werde, sie einzufordern. Ich bin allein, und der Prinz wird sicherlich von seinem Gefolge und seinen Highland-Kriegern gut geschützt werden.«
    Ich zog es vor, nichts von der Falle zu sagen, in die wir seine Männer gelockt hatten. Doch etwas ließ mir keine Ruhe.
    »Was in aller Welt hat der Sohn des Duke of Argyle mit dieser Sache zu schaffen?«
    »John? Wir haben uns letzten Sommer in London kennen gelernt, kurz bevor ich in Marischals Dienste getreten bin. Wir waren der gleichen Meinung, was die Stellung von Schottland im britischen Empire angeht und haben uns gleich gut

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