Lanze und Rose
verstanden. Beide sind wir zu dem Schluss gekommen, dass man, um das Problem der aufständischen Highland-Clans zu lösen, direkt an die Wurzel gehen muss, nämlich die Stuarts. Der Mensch kann nicht zwei Herren zugleich dienen, und zwei Könige sind einer zu viel.«
»Ich sehe, dass Ihr nicht wirklich wisst, was die Ursachen des Problems sind, William«, meinte ich. »Die Stuarts wieder auf den schottischen Thron zu setzen ist nur eines der Heilmittel für das Übel, das die Highlands zerreißt, aber nicht das einzige. Ihr seid doch selbst Highlander…«
»Bedaure, aber in meinen Adern fließt nicht das Blut der Highlands, Caitlin. Ich betrachte mich als Briten, und mein Leben, das
ich nur allzu bald hergeben werde, opfere ich zum Besten des Empire.«
Ich sah ihn einen Moment lang an.
»Gebt auf, lasst mich frei und kehrt nach Hause zurück…«
Er brach in ein spöttisches Gelächter aus und warf mir einen vieldeutigen Blick zu. Sein Lächeln erstarrte und verschwand langsam, bis seine zusammengepressten Lippen nur noch ein schmaler, gerader Strich waren.
»Und dann einfach alles vergessen? Wirklich, Caitlin, Ihr seid zu töricht. Oh, um Eure Haut zu retten, würdet Ihr natürlich nur zu gern alles Mögliche vergessen. Ich muss zugeben, dass ich genauso handeln würde. Aber es ist zu spät. Inzwischen wissen zu viele Menschen, wer ich bin, und ich gebe nicht mehr viel auf mein Leben. Wenn ich den Jakobiten entwische, dann nur, damit der Duke of Argyle Wiedergutmachung von mir verlangt, weil ich seinen Sohn in das Komplott mit hineingezogen habe. Für mich gibt es keinen Ausweg mehr. Ich bin ein Verräter, Caitlin, und…«
Er unterbrach sich abrupt und sah versonnen auf den Wein, der in der Flasche, die er immer noch in der Hand hielt, schwappte. Dann verzog er den Mund erneut zu einem bitteren Lächeln.
»… mit Sicherheit hält man für mich die Strafe bereit, die Verrätern gebührt.«
Er erbleichte, schluckte und strich mit dem Finger unter seiner weißen Seidenhalsbinde entlang.
»Wenigstens sterbe ich für eine gute Sache.«
»Ich bezweifle, dass Colonel Turner Euren Plan gutgeheißen hätte. Ein Soldat gibt sein Leben für sein Land, aber er opfert es im ehrenhaften Kampf. Er begeht keinen feigen Mord … Ich verstehe nicht, wie Ihr zu solchen Ansichten kommen könnt. Euer Vater ist ein Gordon… und Ihr seid damit ein Highlander …«
Einen Moment lang sah er mich ausdruckslos an. Dann kniff er die Lippen zusammen. Ich wollte schon weitersprechen, als er in schneidendem Ton doch wieder das Wort ergriff.
»Graham Gordon von Stathavon war nicht mein leiblicher Vater. Der Laird hatte keine Kinder, denn seine Frau war unfruchtbar. Deswegen hatte er mich adoptiert. Bei den beiden habe ich
die ersten Jahre meiner Kindheit verlebt. Dann ist seine Frau leider viel zu früh gestorben, und er hat noch einmal geheiratet. Seine zweite Frau war weitaus gebärfreudiger und hat ihm vier Kinder geschenkt, darunter zwei Söhne. George besuchte mich drei- oder viermal jährlich, um sich zu vergewissern, dass ich gut behandelt wurde. Doch als Graham Gordon starb, verschlechterte sich meine Lage immer mehr. Ihr versteht sicher, dass ich in den Augen der Witwe nicht viel wert war. Schließlich war ich nur noch eine Art Dienstbote. George hat das rasch bemerkt und mich unter seine Fittiche genommen… Bei ihm habe ich eine gute Erziehung genossen und wurde in die gute Gesellschaft dieser niedrigen Welt eingeführt. Ich hatte eine Zukunft.«
Die zu verspielen du im Begriff bist…
»Und Eure leibliche Mutter? Kennt Ihr sie?«
Er antwortete nicht gleich, sondern sah mich merkwürdig an und schien über die Frage nachzudenken.
»Sie ist tot.«
»Das tut mir leid…«
»Nicht so leid wie mir…«, murmelte er leise.
»Habt Ihr denn keine Liebste? Jemanden, an dem Ihr hängt?«
Seine Miene wurde weicher, und sein Blick richtete sich kurz in die Ferne. Doch dann reckte er abrupt das Kinn und richtete sich auf.
»Laura wird rasch jemand anderen finden, der sich um sie kümmert, und…«
Er schüttelte den Kopf, setzte die Flasche an die Lippen und trank noch ein paar Schlucke.
»Habt Ihr sonst keine Familienangehörigen?«
»George war meine Familie. Er hat mich großgezogen wie seinen eigenen Sohn. Sein Tod hat mich schwer getroffen. Georges Familie … Ich habe noch ein paar Onkel und eine Tante. Aber sie haben nie versucht, Kontakt zu mir aufzunehmen. Sie verstanden nicht, warum ihr Bruder für ein Kind
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