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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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sorgte, das nicht das seine war und dazu noch illegitim. Für sie war ich unerwünscht. Außerdem hat auch George keinen Umgang mit ihnen gepflegt.«
    Er schaute mich träumerisch an und schlug die Flasche gegen seinen Schenkel, so dass die Flüssigkeit darin gluckerte.

    »Aber wenn Gordon Euch rechtmäßig adoptiert hat, dann habt Ihr doch als ältester Sohn Anrecht auf seinen Titel und seine…«
    Er lachte laut und warf den Kopf nach hinten, wobei ich die festen Konturen seines energischen Kinns bewundern konnte. Eindeutig, etwas an diesem Mann ließ mir keine Ruhe.
    »Ha! Meine Stiefmutter hat dafür gesorgt, dass nur ihre eigenen Söhne erben durften. Außerdem würde ich dieses Erbe nicht einmal wollen, wenn man es mir auf einem Silbertablett anböte! Pachtland und Mühlen… Nein, ich habe mir für mein Leben etwas anderes gewünscht.«
    Ein verlegenes Schweigen trat ein. Offenbar hatte es ihn aufgewühlt, über seine Vergangenheit zu sprechen. Ich sagte mir, dass ich ihn besser nicht fragte, was er sich wirklich gewünscht hätte. Er beugte sich zu mir herüber und strich mir ungeschickt über die Wange.
    »Bedaure, aber ich habe keine andere Wahl«, erklärte er leise und zog ein Taschentuch hervor.
    Ich schloss die Augen. Mit dem Daumen zog er den Umriss meines Kiefers nach. Dann glitten seine Finger über meine Wange und strichen über meine Lippen. Seine Hand verhielt auf meiner schweißfeuchten Haut. Dann spürte ich, wie sein Atem meinen Mund streifte. Ein harziger Weingeruch, leicht säuerlich. Angeekelt wandte ich mich ab und biss die Zähne zusammen.
    »Wie alt seid Ihr, William?«
    Er wirkte verblüfft und runzelte die Stirn.
    »Im Januar bin ich einundzwanzig geworden.«
    »Einundzwanzig … Mein ältester Sohn wird im März zwanzig. Ist Euch klar, dass ich Eure Mutter sein könnte?«
    »Meine Mutter … wirklich?«
    Seine Finger bewegten sich langsam und verhielten dann plötzlich. Er legte die Hand um meinen Hals und zwang mich, ihn anzusehen. Seine blauen Augen richteten sich auf meine zitternden Lippen. Er sagte nichts weiter, sondern schaute mich nur ausdruckslos an. Sein Mund öffnete sich, doch er schüttelte den Kopf und verschluckte die Worte, die er hatte aussprechen wollen.

    »William«, bat ich, »lasst mich frei. Ich habe mit Eurer Mission nichts zu tun.«
    Immer noch starrte er mich an, als hätte er mich nicht gehört. Er neigte den Kopf leicht zur Seite und kniff die Augen zusammen. Dann spürte ich, wie kaltes Metall meinen Hals streifte.
    »Heute Nacht habe ich daran gedacht, Euch zu töten…«
    Seine steinerne Miene drückte keinerlei Gefühl aus.
    »Ihr seid ziemlich lästig, aber …«
    »W … warum habt Ihr es nicht getan?«
    Er lachte nervös auf und verstummte wieder. Sein Blick wich nicht von mir, sondern durchbohrte mich geradezu, während er zu meiner allergrößten Erleichterung die Klinge von meinem Hals nahm.
    »Eines Tages habe ich ein Tagebuch gefunden, das jemand, der meinem leiblichen Vater nahestand, sorgfältig geführt hatte. Darin beschreibt er meinen Vater als einen … sehr eigenartigen Menschen. Ich muss zugeben, dass er kein sehr schmeichelhaftes Bild von ihm zeichnet. Aber dieser Mann beschreibt auch meine Mutter in allen Einzelheiten…«
    Er ließ eine meiner zerzausten Haarsträhnen durch seine Finger gleiten.
    »Pechschwarzes Haar, meergrüne Augen und milchweißer Teint…«
    Er legte eine Pause ein und musterte mich kalt.
    »Heute Nacht habe ich mir vorzustellen versucht, wie Ihr wohl mit zwanzig Jahren ausgesehen habt. Ihr wäret ihr ähnlich gewesen. George hat meine Mutter gekannt. Die Umstände meiner Geburt waren ziemlich rätselhaft, daher habe ich ihn eines Tages gebeten, mir davon zu erzählen. Er hat mir berichtet, meine Mutter sei eine kleine Dienstmagd gewesen, die sich meiner bedienen wollte, um meinen Vater um einen Teil seines Vermögens zu erleichtern. Als sie feststellte, dass sie von ihm nichts bekommen würde, hat sie ihn getötet. Dann ist sie geflohen und hat mich zurückgelassen. Ich hasse diese Frau und verspüre den Wunsch, sie zu töten. Ich habe mir gelobt…«
    »Ihr habt eben gesagt, sie sei tot …:«
    »Für mich ist sie es. Aber sie ist nicht wirklich tot. Eines Tages
hat George eine neue Köchin angestellt, die jahrelang im Dienst meines Vaters gestanden hatte. Sie hatte meine Mutter ebenfalls gekannt. Ich habe sie ausgefragt, und was sie mir erzählt hat, war ganz anders als das, was George gesagt hatte. Aber…

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