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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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betrachtete meinen Löffel, auf dem die grüne Suppe ins Beben geraten war, und legte ihn langsam in den Teller. Mit mühsam vorgeschützter Ruhe hob ich dann den Kopf und begegnete einem Paar halb geschlossener Augen, die mich durchdringend ansahen. Der Colonel lächelte nicht. Mir blieb fast das Herz stehen. Oh mein Gott, Caitlin! Dieser Mann kann dich und Patrick ins Verderben stürzen! Instinktiv betastete ich meine Rocktasche, in der das Fläschchen mit dem Opiumsirup und der Brief, der gesiegelt werden musste, steckten. Ein eisiger Schauer überlief mich. Dieser Mann, der mich mit kühler Höflichkeit ansah, war niemand anderer als George Turner, vormals Captain eines Dragonerregiments! Ich hielt dem Blick der haselnussbraunen Augen stand und rechnete jeden Moment damit, dass das Fallbeil heruntersausen würde. Doch Turner schwieg.
    »Ah, die Highlander-Armee von der Westküste!«, rief Carpenter aus. »Diese Bande von Wilden ohne Religion und Gesetz!«
    Ich griff nach meinem Ehering und drehte ihn müßig um den Finger. Der Colonel hatte die Bewegung bemerkt; ein verschlagenes Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
    »Und was haltet Ihr von den Highlandern, Mrs. Turnhill?«

    Obacht, Caitlin! Eine Fangfrage! Clementine warf mir einen alarmierten Blick zu. Offenbar hatte außer uns niemand bemerkt, was sein plötzlich honigsüßer Tonfall zu bedeuten hatte.
    »Ich… ich habe keine Meinung zu diesen Leuten, Colonel Turner«, gab ich zurück und sah dem Mann unverwandt in die Augen.
    Jetzt lächelte er ganz offen.
    »Tatsächlich? Dann seid Ihr mir ein Rätsel, teure Dame. Ihr müsst so ungefähr der einzige Mensch sein, den die Highlander gleichgültig lassen. Entweder man liebt sie, oder man hasst sie. Erzählt mir doch ein wenig von Euch.«
    Clementine, die langsam vor Unruhe außer sich geriet, schob Minshaw, der an ihrem Hals klebte wie ein Blutegel, behutsam von sich. Ich versuchte, eine gleichmütige Miene aufzusetzen. In dem Zimmer war es jetzt wirklich heiß. Mit einem Mal glitt ein feuchter Mund über meinen Hals und meine Schulter, hinterließ eine Speichelspur und senkte sich dann bis zu der Rundung meiner Brust, die aus dem Korsett hervorquoll. Ich bekam keine Luft mehr.
    »Ich bin mir sicher, dass Mrs. Turnhill anderes zu tun hat, als sich für diese Barbaren zu interessieren«, verkündete Stuart.
    Er legte einen Arm um meine Taille und zog mich an sich. Ich spürte das Fläschchen zwischen meinen Fingern.
    Anscheinend aus dem Nichts heraus erschien ein Lakai und beugte sich über Turners Schultern, um ihm ein paar Worte zuzuflüstern. Der Colonel sah zu der Tür, die ins Vestibül führte und wo eine Gestalt auftauchte, um sogleich wieder zu verschwinden. Turner trank einen letzten Schluck Wein, tupfte sich den Mund mit seiner Serviette ab, die er behutsam auf den Tisch legte, und erhob sich.
    »Meine Liebe, Ihr müsst mich entschuldigen«, erklärte er mit einer an Clementine gerichteten Verneigung. »Ein Bote, der nicht warten kann. Es dauert nur eine kleine Weile.«
    Ohne weitere Umstände ging er hinaus, um mit dem besagten Boten zu sprechen. Von meinem Platz aus konnte ich seinen Gesprächspartner erkennen, einen klapperdürren jungen Mann mit braunem Haar und schlaksiger Haltung. Ich bemerkte sogar,
dass ihm zwei Vorderzähne fehlten. Turner, der mir den Rücken zuwandte, schüttelte den Kopf. Dann hob er eine Hand und packte den Boten an der Schulter. Nach dem Gesichtsausdruck des Burschen zu urteilen, tadelte der Colonel ihn. Der junge Mann nickte und verschwand dann. Als Turner zurückkehrte, wandte ich meinen Blick rasch Emily zu, die jetzt von den Highlandern und ihren »Umgangsformen« sprach, und setzte wieder eine distanzierte Miene auf.
    »Es heißt, sie wären wie brünstige Tiere«, versicherte die junge Frau mit schalkhaft blitzenden Augen. »Allerdings hatte ich noch nie die Gelegenheit festzustellen, ob das wahr ist.«
    Ihr Nachbar brach in ein anzügliches Gelächter aus, das seine Hängebacken und sein mit Sauce verschmiertes Kinn erbeben ließ. Dann kniff er sie ins Hinterteil, worauf sie einen leisen Schrei ausstieß. Wollüstig ließ er seinen schleimigen Genießerblick über ihren Körper schweifen.
    »Ich vermag mein Schwert ebenso gut zu führen wie sie, mein Schatz«, erklärte er und warf sich in die Brust. »Und wenn Ihr mir das Futteral zur Verfügung stellt, stecke ich es gern hinein …«
    Rund um den Tisch wurde ordinär gelacht. Vom Alkohol beflügelt, nahm das

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