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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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allgemeinen Heiterkeitsbekundungen rutschte der Gouverneur unter den Tisch. Nur Turner lachte nicht, sondern beschränkte sich darauf, lauernd zu lächeln und mich aus halb geschlossenen Augen durchdringend anzustarren. Stuart klammerte sich am Tischtuch fest und zog daran. Die noch gefüllten Gläser gerieten gefährlich ins Wanken. Dann
stützte er sich auf meinen Knien ab und drückte sie fest. Er lachte leise.
    »Ha, ha! Meine süße Joan … Welch eine Muse Ihr seid!«, erklärte er, nicht im geringsten verlegen. »Heute Nacht werde ich mich an der Lösung des Rätsels erfreuen … hmmm …«
    Er schenkte mir das gefräßige Grinsen eines nach frischem Fleisch ausgehungerten Wolfes.
    »Und Ihr ebenfalls …«, setzte er hinzu.
    Das wollen wir doch erst noch sehen! Ich erwiderte sein Lächeln. Langsam glitten seine Finger an meinen Schenkeln hinauf, und ich spürte einen plötzlichen Drang, ihm den Hals umzudrehen. Einstweilen musste ich mich aber zurückhalten.
    »Ah, Maitresse!«, begann er in ganz manierlichem Französisch und legte ritterlich eine Hand aufs Herz, bevor er weiterdeklamierte. Ich versuchte mir im Stillen so gut ich es vermochte seine Worte zu übersetzen.
    »Ich wollte, Herrin, Eurer Schönheit sterben, / Dem Auge, das mich fest am Haken hält, / für Kuss und Lächeln, voller als die Welt, / in der die süßen Düfte … hmmm … um mich werben …«
    »Sind das nicht Verse von Ronsard!«, rief Clementine aus. »Fahrt fort, Gouverneur, das ist exquisit! Ich liebe die französischen Dichter. … Wenn ich auch kaum verstehe, was Ronsard mit seinen Worten sagen will … Sie klingen wie Musik …«
    Der Gouverneur sah mir tief in die Augen und fuhr mit sanfter Stimme fort.
    »Ich will für dieses blonde Haar verderben …«
    Nachdenklich verzog er das rot angelaufene Gesicht und bemächtigte sich einer meiner Locken.
    »… für dieses schwarze Haar verderben, / Und für die keusche Brust, die sanft sich wellt«, deklamierte er weiter und strich lüstern über mein Mieder.
    Ich wollte seinen schamlosen Angriff schon zurückweisen, als er meine Hände ergriff.
    »Die süße Hand …«
    Fest hielt er meine von der Arbeit schwieligen Hände umschlossen, führte sie zuerst an die Lippen und dann galant an
sein Herz, um dann unter den amüsierten Blicken der anderen Gäste seinen schlüpfrigen Vortrag fortzusetzen.
    »Die süße Hand, die schnell ein Urteil fällt, / mich rettet oder mich zerschlägt in Scherben. / Ah! Ich sterbe, weil′s dem weißen Teint gefällt, / für diese Stimme, die zusammenschnürt / das Herz so stark, dass es ihr ganz gehört; / ja, ich will sterben in verliebter Schlacht, / nähren die Liebe, die im Blut mir gärt, / in deinen Armen eine ganze Nacht …«
    Eine Hand erhob er zum Himmel, während die andere meine weiter umfasst hielt, und neigte das Haupt. Die Gäste brachen in begeisterte Lobesrufe aus und applaudierten, während ich sprachlos und mit glühenden Wangen auf meinem Stuhl saß und den Siegelring anstarrte, der an seinem Finger glänzte. Dein Opfer ist bereit, Caitlin!
    Es war Zeit, unseren Plan in die Wirklichkeit umzusetzen. Ich beugte mich zu »Ronsard« hinüber, wobei ich darauf achtete, ihm mein Dekolletee direkt unter die Nase zu halten, und flüsterte ihm mit einschmeichelnder Stimme ins Ohr.
    »Es ist spät geworden, Lieutenant-Colonel. Würdet Ihr mich vielleicht nach Hause geleiten?«
    Einen Moment lang sah er mich verblüfft an. Dann fand der unausgesprochene Teil meiner Bitte den Weg in sein vom Alkohol umnebeltes Hirn. Er lächelte mir zu, wobei er eine unregelmäßige, aber gepflegte Zahnreihe enthüllte, und erhob sich leicht schwankend.
    »Euer Wunsch ist mir Befehl, Madam«, erklärte er und half mir beim Aufstehen.
    Clementine lächelte mir gezwungen zu und schickte dann jemanden, um mein Cape zu holen. Ich stand wartend mit ihr in der Eingangshalle, während Stuart seine Kutsche vorfahren ließ, als ich einen Blick im Rücken spürte. Mein Herz zog sich zusammen. Ich wusste, dass Colonel Turner mich beobachtete. Beim Essen hatte ich befürchtet, dass er meine wahre Identität enthüllen würde, doch er hatte es nicht getan. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen; ganz gewiss führte er etwas im Schilde. Turner war ein Mann, mit dem nicht zu spaßen war. Das hatte er mir schon vor zwanzig Jahren klargemacht. Ich konnte mich
darauf verlassen, dass er versuchen würde herauszufinden, was ich wohl während des Aufstandes im Edinburgh zu suchen

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