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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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eines Raben, war am Hinterkopf hochgesteckt und fiel in schweren Locken herunter, die meinen Nacken umspielten. Clementine hatte mir für diese Gelegenheit eines ihrer Kleider geliehen. Der Zufall hatte gewollt, dass wir in etwa die gleiche Figur hatten, trotz meiner vier Schwangerschaften und des Umstandes, dass ich gut fünfzehn Jahre älter war als sie. Durch den Müßiggang und das üppige Leben als Kurtisane hatte sie sich einige kleine Polster zugelegt, die ich durch die raue Existenz in den Highlands nicht ansetzen konnte.
    Ich betrachtete meine leicht abgespannten Züge. Meine Haut war noch fest und schmiegte sich glatt an meine hervortretenden Wangenknochen und die Augenbrauenbögen. In den Augenwinkeln zeigten sich einige Fältchen; und zwei kleine Furchen bildeten gleichsam eine Klammer um mein sorgfältig aufrechterhaltenes Lächeln … Nichts, das unangenehm anzusehen war. Ich lächelte mir selbst zu. Alles in allem gar nicht so übel für eine »alte« Frau von neununddreißig Jahren. Vielleicht ein wenig zu mager für den Geschmack der Männer, die üppige Kurven bevorzugten. Aber nach den Blicken zu urteilen, die mir Stuart während des gesamten unangenehmen Essens zugeworfen hatte, war ich noch begehrenswert.

    Ich nahm eine leise Bewegung im Spiegel wahr. Es war Stuart, der mit einem Glas Cognac herangetreten war, das er mir jetzt über die Schulter reichte, wobei seine Spitzenmanschette meine Wange streifte. Im Spiegel trafen sich unsere Blicke. Der seine war begierig und selbstbewusst, während ich unruhig und ängstlich wirkte. Was machst du hier, Caitlin? Ich sah auf das Glas hinunter und nahm es fügsam entgegen. Los, Caitlin, nimm dich zusammen und stürz dich hinein! Flüchtig streiften meine Finger das kleine Fläschchen, das sich im teuren Stoff meines Kleides verbarg.
    »Einen Moment lang habe ich schon befürchtet, Euch an Colonel Turner zu verlieren.«
    Lüstern legte er einen Arm um meine Taille und zog mich an sich. Widerwillig ließ ich ihn gewähren und biss mir auf die Innenseite der Wange.
    »Was meint Ihr?«
    Ich befreite mich aus seiner erstickenden Umschlingung und lief mit raschelnden Röcken durch das Zimmer. Ganz offensichtlich lebte er nicht hier … Jedenfalls nicht ständig. Die kleine Wohnung war mit sicherem Geschmack eingerichtet, doch eher so, dass es dem weiblichen Geschlecht gefiel. Die Höhle des Löwen! Hierher schleppte er die kleinen Lämmchen, um sie mit Haut und Haaren zu fressen. Ich unterdrückte einen Schauder und warf einen verstohlenen Seitenblick zu dem Bett, das ganz offenbar den Ehrenplatz im Raum einnahm. Hinter mir meldete Stuart sich mit tiefer Stimme zu Wort, und ich fuhr herum.
    »Turner hat Euch ja buchstäblich mit den Augen verschlungen …«
    »Kennt Ihr ihn eigentlich gut?«
    Ich streifte meine zum Kleid passenden Seidenschuhe ab und ließ sie neben dem mit burgunderrotem Samt bezogenen Sessel auf dem Boden liegen.
    »Wir haben 1704, im spanischen Erbfolgekrieg, gemeinsam unter dem Duke of Marlborough in Blenheim gedient. Er ist ein guter Soldat. Der Mann ist sehr verschlossen, aber loyal. Er hat nie geheiratet. Ich frage mich, warum… Allerdings habe ich
schon einige Male hübsche junge Damen an seinen Rockschößen hängen gesehen. Sind aber nie lange geblieben.«
    »Und Ihr? Seid Ihr verheiratet?«
    »Interessiert Euch das wirklich, Madam?«
    Er schlang eine meiner Haarsträhnen um seinen Zeigefinger und strich mir mit dem Handrücken sanft über die Wange. Ich hob den Blick, setzte ein Lächeln auf, das charmant wirken sollte, und sah in die goldfarbenen, beinahe gelben Augen eines wilden Tieres.
    »Nein, nicht wirklich.«
    Er löste das Band, das sein Haar zusammenhielt, und legte seinen Rock ab, den er neben meinen Schuhen auf den Boden fallen ließ. Dann begann er, seine elfenbeinfarbene Weste aufzuknöpfen.
    »Ihr seid also der Gouverneur von Edinburgh Castle.«
    »In der Tat«, stimmte er mir bei und leerte mit einem Zug sein Glas, bevor es hinter sich auf den Tisch stellte.
    Er umfasste mich lüstern und ließ die Hände über meinen Rücken und meine Hüften gleiten. Mit abwesendem Blick musterte ich sein leeres Glas. Ich musste rasch eine Möglichkeit finden, ihm den Opiumsirup einzuflößen, ansonsten … Ich schluckte. Immerhin war ich aus freien Stücken hergekommen. Der Mann, der jetzt befriedigt grunzend versuchte, sich meines Mundes zu bemächtigen, erwartete, einige schöne Stunden in meiner Gesellschaft zu verbringen. Auf

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