Laqua - Der Fluch der schwarzen Gondel
Morgen kaum einen Bissen herunter. Cesare hatte die Tageszeitung Il Gazzettino aufgeblättert auf dem Tisch liegen lassen und dort stand in großen Lettern:
Rattenplage in der Stadt?
Sara war blass, sie hustete und schniefte und ihre Nase leuchtete so rot wie ein Alarmlicht. Kristinas flaues Gefühl von heute Nacht war sogar noch stärker geworden. Was passierte mit Sara? Hatten die Geister und Spiegelwesen dieses Hotels sie einfach nur in den Träumen besucht? Oder sollte es eine Warnung vor dem Dogen sein? Irgendwo draußen machte er sich für den Angriff bereit.
»Sara?«
Ihre Tante schreckte aus tiefsten Gedanken auf. »Was?«
»Du bleibst heute im Hotel, oder?«
Sara nieste. »Sehe ich aus, als ob ich Lust hätte, einen Schritt in die Kälte zu setzen?«
Kristina und Jan nickten sich erleichtert verstohlen zu. Wenigstens heute mussten sie sich um Sara keine Sorgen machen. Kaum hatten sie den letzten Schluck Kakao ausgetrunken, begaben sie sich an die Arbeit, suchten im ganzen Haus nach versteckten Eingängen und Löchern, die sie übersehen haben könnten. Sie befestigten auch noch Nonnas Silberarmreifen zur Verstärkung an den Fenstern und polierten zu Cesares Entzücken sogar das Silberwappen an der Tür des Hotels, bis es blank glänzte. »Ihr nehmt die Sache ja richtig ernst«, sagte er anerkennend.
Jan und Kristina zogen die Mundwinkel in Richtung Ohren, was hoffentlich als Lächeln durchgehen würde. Und weder Sara noch Cesare fiel auf, dass Jan zittrig und hibbelig war und Kristina ständig etwas aus den Händen fiel.
Cesare werkelte den ganzen Tag im Flur, deshalb kamen sie heute nicht an die lila Scheibe heran. Aber alle fünf Minuten rannten sie zu einem Fenster. Draußen war es gespenstisch ruhig, fast lauernd. Selbst der Nebel, der aus dem Wasser aufstieg, wirkte erstarrt, so als wäre ganz Venedig in einem frostigen Bild eingefroren. Nur die blinkende rote Weihnachtsbeleuchtung auf der gegenüberliegenden Kanalseite erinnerte Kristina daran, dass sie immer noch in ihrer eigenen Welt waren, so schwer das auch zu glauben war.
Am späten Nachmittag tauchte endlich Luca auf, direkt von der Arbeit im Museum und ohne Pippa. »Sie ist bis morgen bei ihrer Mutter in Mestre«, erklärte er und streckte Jan ein in Zeitungspapier gewickeltes Päckchen hin. »Hier, damit du deine Familie auch hier bei dir hast. Ihr bleibt ja noch eine Weile in der Stadt, habe ich gehört.«
Jan riss das Päckchen sofort auf und begann zu strahlen. »Danke!« Kristina wurde es warm ums Herz. Luca hatte das Bild von ihren Eltern, das Jan gemacht hatte, ausgedruckt und in einen einfachen Holzrahmen gesteckt.
Cesare kam aus der Küche. »Du meine Güte, was sehe ich, ein Pezzi in Nonnas Heiligtum?« Er lachte gutmütig. »Wenn Nonna das erfährt, humpelt sie auf ihrem Gipsbein sofort hierher. Hallo, Junge, lange nicht gesehen.«
Luca nahm seine Baseballkappe ab und schüttelte sich ein paar Schneeflocken aus den braunen Strähnen. »Hallo, Cesare, ja, wir haben viel Arbeit.«
Cesare wurde mit einem Mal ernst. »Ich habe schon davon gehört. Tut mir sehr leid für deine Familie.«
»Wir Pezzis haben eben kein Glück«, erwiderte Luca mit einem Lachen, das wohl scherzhaft wirken sollte. Aber Kristina bemerkte ganz deutlich, dass Cesares Worte ihn wie ein Hieb getroffen hatten.
»Was hat sich herumgesprochen?«, fragte Jan prompt.
»Nichts«, sagte Luca schroff. »Wir müssen uns nur bald eine neue Wohnung suchen.«
Es war klar, dass er keine weiteren Fragen hören wollte.
Kaum waren sie zu dritt im Dogenzimmer, packte Luca seine Aufzeichnungen aus.
»Bisher wissen wir nur, dass Violetta irgendwelche magischen Tränke gebraut hat und dass die Donnole von einem schwarzen Dogen verzaubert wurden«, begann er ohne Umschweife. »Sie müssen ihm das Auge des Makaro beschaffen, sonst bringt er die Kinder zur Strafe um – angeblich verschlingt der Kanal sie wie ein Ungeheuer. Die Donnole nutzen drei magische Geheimgänge in der Stadt, von denen Kristina schon zwei kennt. Den dritten hat Pippa ausprobiert. Er führt von der Kirche San Zanipolo ins alte historische Gefängnis hinter der Seufzerbrücke. Es war früher das sicherste der Welt. Der magische Weg war vor ein paar Hundert Jahren als Fluchtweg aus dem Gefängnis sicher nützlich.« Er legte die Kopie des abgerissenen Blattes auf den Boden. »Und dann haben wir noch eine Geheimschrift.« Mit Bleistift hatte er alle möglichen Zahlen- und Buchstabenreihen daneben
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